Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gordon

Gordon

Titel: Gordon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Templeton
Vom Netzwerk:
normal«, sagte er, »alle Ihre alten Ängste steigen zurzeit an die Oberfläche. Ich habe einen Patienten, der jedes Mal zusammenzuckt, wenn ich mein Feuerzeug aufschnappen lasse, um mir eine Zigarette anzuzünden. Er glaubt, ich wolle ihn kastrieren.«
    »Ich zucke nie beim Geräusch Ihres Feuerzeugs zusammen«, sagte ich, »reden Sie keinen solchen Schwachsinn.«
    »Natürlich nicht«, sagte er, »Sie sind schließlich ziemlich normal. Ich wollte nur mal sehen. Momentan belegen Sie mich mit allen Ihren Ängsten, mit allem, was Sie nicht wollen. So wie Sie mir neulich in Soho dieses Stück Käse auf den Teller gelegt haben.«
    »Ich verstehe Sie nicht«, sagte ich. »Was denn für Ängste?«
    Er gab keine Antwort. Er stand auf und legte seinen Morgenrock auf einen Stuhl.
    »Machen Sie Platz«, sagte er.
    Ich glättete die Kissen, legte sie aufeinander, und er streckte sich auf dem Rücken aus.
    »Erinnern Sie sich«, sagte er, »an diesen Tag, als wir mit dem Commissioner etwas getrunken haben und dann die Oxford Street hinaufgegangen sind und Sie mir von Monicas Vater erzählt haben?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Da haben Sie meine Hand genommen und sie den ganzen Weg bis zum Marble Arch festgehalten«, sagte er.
    »Habe ich das? Ja, das stimmt wohl«, sagte ich.
    »Warum haben Sie das getan?«, fragte er.
    »Weil auf der Oxford Street immer ein solches Gedränge herrscht«, sagte ich.
    »Blödsinn«, sagte Gordon, »nicht so spät am Abend. Sie haben meine Hand festgehalten, weil Sie beschützt werden wollten. Noch vor ein paar Monaten hätten Sie das nicht getan. Es war eine Geste des Vertrauens.«
    Ich erwiderte nichts.
    Er sagte: »Sie sind genau wie jede andere Frau auch. Sie möchten geliebt und beschützt werden.« Er hatte das in verächtlichem Ton gesagt. Ich fühlte mich ernüchtert und verwirrt. Ich fragte mich, was so schlimm daran sein sollte. Es stimmte. Aber warum war das falsch?
    »Sie sind vollkommen von mir abhängig«, sagte er, »was Ihre Ängste und was Ihr Sicherheitsbedürfnis anbelangt.« Er schloss die Augen. »Ich muss wieder in die Analyse«, fügte er hinzu, während ich, auf meinen Fersen sitzend, auf sein unbewegtes Gesicht hinunterblickte und mich vergeblich bemühte zu begreifen, was ihm an mir missfiel.
    Er sagte: »Kommen Sie jetzt her zu mir, und schlafen Sie.«
    Und während ich meinen Körper um seinen drapierte und den Kopf an seine unbequeme Brust legte, blieb er mit parallel zu seinem Rumpf ausgestreckten Armen regungslos liegen, und ich fragte mich, ob je der Tag kommen würde, da er diese Arme um mich schließen würde.

 
     
     
    17. KAPITEL
     
     
     
    ES WAR UNGEFÄHR EINE W OCHE SPÄTER . Wir hatten auswärts gegessen und waren zum Portman Square zurückgekehrt.
    »Ziehen Sie sich aus, und gehen Sie ins Bett«, sagte Gordon, sobald wir hereinkamen, und als er sah, dass ich mich auf das Sofa setzte und in meiner Handtasche kramte, fügte er hinzu: »Ziehen Sie Ihre Sachen aus, ehe ich Sie Ihnen vom Leib reiße.«
    Ich zog mich aus, nahm die Handtasche mit und setzte mich auf die Bettkante. Kurz bevor wir den Portman Square erreicht hatten, war mir die Tasche hingefallen, und der Inhalt war ganz durcheinander geraten.
    Ich fuhr fort, meine Habseligkeiten in Ordnung zu bringen – suchte meinen Taschenkamm und stellte fest, dass er zwischen die Seiten meines kleinen Notizbuches geglitten war, steckte meine Puderdose aus Schildpatt in ihr Lederetui zurück und befreite meinen Schlüsselbund aus einem Gewirr von Sicherheitsnadeln.
    Ich sah kurz auf, als Gordon nackt vom Flur hereinkam.
    »Legen Sie sich hin«, sagte er.
    Ich setzte meine Aufräumaktion fort und sah mit einem Seitenblick, dass er zum Schrank ging; ich konzentrierte mich wieder auf meine Aufgabe, bis eine plötzliche Erinnerung mich noch einmal aufsehen ließ.
    Ich hatte noch nie in seinen Schrank gesehen. Ich wusste lediglich, dass er daraus die Keksdose und, erst kürzlich, die Schere hervorgeholt hatte. Gott, nicht noch einmal, sagte ich zu mir, und während ich die Tasche auf den Nachttisch legte, sah ich, wie Gordon etwas aus dem Schrank holte – was, konnte ich nicht sehen. Sein Rücken versperrte mir die Sicht.
    Er drehte sich um und kam mit den Händen hinter dem Rücken auf das Bett zu.
    Anders als vor einer Woche, als er die Schere empor gehalten hatte, lächelte er jetzt nicht. Sein Gesicht war unbewegt.
    Einen Moment später stand er vor mir, und als ich ihm forschend ins Gesicht blickte, in die

Weitere Kostenlose Bücher