Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen
Stabes löste sich, fiel herab und verwandelte sich noch im Fallen wieder in eine Schädelspinne, wie Gorian es bereits einmal erlebt hatte. Sich abfedern, landete sie auf ihren acht Beinen, von denen jedoch drei bereits vom rotgoldenen Feuer befallen waren. Die Schädelspinne krabbelte, schrille Laute ausstoßend, über den Boden und machte sich Richtung Waldrand davon.
Der achtbeinige Bär ließ unterdessen den Stab los, dessen Elfenbein von dem magischen Feuer geradezu durchdrungen wurde. Frogyrr taumelte schreiend zurück, denn drei, vier seiner Pranken waren ebenfalls in Brand geraten. Die Flammen fraßen sich empor, der Geruch von verbranntem Fleisch erfüllte die Luft, vermischt mit einem beißenden Gestank, den Gorian nicht einzuordnen vermochte. Frogyrr schrie so schrill auf, wie Gorian es zuvor noch nie von ihm gehört hatte. Zu einem zerstörerischen Tiefenlaut war er offenbar nicht mehr in der Lage. Die Ähnlichkeit mit dem Caladran-Antlitz verschwand.
»Dafür wirst du bezahlen!«
Wer ihm diesen Gedanken sandte, vermochte Gorian nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Morygor oder Frogyrr – oder Teile ihrer beider Seelen in einem gemeinsamen Schrei des Entsetzens darüber, dass sich ein vorausberechnetes Schicksal nicht erfüllt hatte?
Gorian erhob sich. Er war überrascht darüber, keine Schwäche zu spüren, sondern vielmehr Erleichterung. All die Kraft, die in ihm gewesen war, hatte er abgeben können. Er hob die Hand, die bei der Berührung des Siebenerkreuzes verbrannt worden war, doch auf einmal war sie wieder vollkommen unversehrt.
Es war ein Zauber, der ihn getäuscht hatte und vielleicht auch hatte prüfen sollen, ging es ihm durch den Kopf. Eine Illusion, die ihn schwächen sollte und die er nun durchschaute.
Frogyrr wich vor ihm zurück, während Gorian Ar-Dons Gedankenstimme vernahm.
»Warum vollendest du es nicht?«, fragte der Gargoyle, und Gorian spürte plötzlich mit unangenehmer Intensität die Anwesenheit des steinernen Monstrums. Er drehte sich um.
Der Gargoyle zwängte sich durch das Portal des Tempels. Er musste dabei die Körperform verändern, denn inzwischen hatte er noch weitere Gegner getötet und ihre Masse zu Stein verwandelt, um sie seinem eigenen Leib hinzuzufügen.
Schlangenartig in die Länge gezogen, kroch er aus dem Tempel. Erst im Freien bildeten sich wieder Flügel aus, die sogleich gespreizt wurden wie in einer Drohgebärde mancher Vögel, die einander aus dem Revier zu vertreiben versuchten.
»Na los! Oder hast du etwa Angst? Sieh dir Frogyrr an, diesen Lakaien von Morygor, dem er Gehorsam geschworen hat und der manchmal sogar von seinem Körper Besitz ergreift. Er brennt! Du hast ihn beinahe besiegt, aber es fehlt noch der letzte Schritt, um dich einen Helden nennen zu können, wie zweifellos Meister Domrich einer war!«
Gorian schluckte. Er sah das Orxanier-Blut von den Reißzähnen tropfen, die sich im Gesicht des Gargoyle ausgebildet hatten.
Frogyrr gab fürwahr einen erbärmlichen Anblick ab. Er wirkte wie ein gequälter Tanzbär, wie er mitunter vom reisenden Volk auf Jahrmärkten präsentiert wurde, auch wenn diese Tiere von der Größe des Frostgottes weit entfernt waren.
Der Gargoyle stöhnte auf, so als wollte er Gorian damit deutlich machen, wie sehr er dessen Zögern missbilligte.
»Du solltest kein Mitleid mit dieser Kreatur haben, die von sich selbst behauptet, ein Gott zu sein, und doch nur eine willenlose Sklavenkreatur ist, die nicht mehr Seele besitzt als ein Werkzeug oder eine Waffe!«
Der Gargoyle bildete einen Arm aus, der erschreckend menschlich wirkte – allerdings war er viel größer und kräftiger als jeder menschliche Arm, den Gorian je gesehen hatte, und davon abgesehen bestand er natürlich aus Stein.
Ar-Don streckte die geöffnete Pranke aus, und seine Augen wurden vollkommen schwarz. Diese innere Kraft, die sich nun in ihm zeigte, war die gleiche wie bei den Meistern des Ordens, erkannte Gorian schaudernd.
Der Stab bewegte sich und flog in Ar-Dons geöffnete Pranke. Dann schleuderte ihn der Gargoyle mit einer wuchtigen Bewegung wie einen Speer. Die ausgefahrene Klinge fuhr dem hilflosen Frogyrr mitten in die Brust und trat auf der Rückseite wieder aus.
Das rotgoldene Feuer hatte sich inzwischen von den Tatzenarmen bis zum Rumpf vorangefressen. Zuvor noch auf dem hinteren Tatzenpaar stehend, fiel Frogyrr brüllend auf den Rücken. Dann bewegte er sich nicht mehr. Schwarzer Rauch drang ihm aus Nase und Mund wie die
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