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Gorian 2

Gorian 2

Titel: Gorian 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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ganz Erdenrund je gegeben hatte, und allein schon das Zusammentragen und Bearbeiten dieses Materials war eine enorme Leistung. Und ebenso, dass man dies alles zum Großteil vor dem Reich des Geistes hatte abschirmen können.
    Das Metall an der Außenseite des Spiegels war von deutlich anderer Beschaffenheit als jenes, mit dem das Innere verkleidet war. Es war genau wie die Halterungen messingfarben, das Innere hingegen wirkte wie reines Silber, und jeder Lichtstrahl, der den Spiegel in dieser Welt der dauerhaften Dämmerung noch erreichte, schien darin vervielfältigt zu werden und löste somit ein helles Flimmern aus.
    »Beginnen wir«, sagte der Namenlose Renegat und wandte sich an den Maskierten. »Der erste Akt gehört dir, mein Freund.«
    Der Maskierte zog seine Handschuhe aus. Schon bei ihrer ersten Begegnung war Gorian aufgefallen, dass jeweils der kleine Finger eigenartig verdickt schien, als wäre er missgebildet. Nun wurde offenbar, dass der Maskierte sechsfingrige Hände hatte. Anscheinend hatte er die Handschuhe auch getragen, um dies zu verbergen.
    Er kniete nieder, presste beide Hände auf den Stein und
murmelte Worte in einer Sprache, von der Gorian noch nie ein Wort gehört hatte. Selbst im Reich des Geistes der Caladran war nichts davon zu finden gewesen, und auch dem basiliskischen Sprechstein war dieses Idiom fremd.
    Ein Beben durchlief im nächsten Moment den Turm. Gorian versuchte es auszubalancieren, Abrandir hielt sich an den Zinnen fest. Der Turm begann zu wachsen. Das Gestein, aus dem er geschaffen war, veränderte sich, die einzelnen Blöcke verschmolzen miteinander, die ohnehin nur sehr schmalen Fugen verschwanden, und der Turm reckte sich immer weiter empor, hinein in den dämmrigen, fast lichtlosen Himmel.
    Der Maskierte stieß einen lauten, dröhnenden Ruf aus, murmelte Worte, die wie sinnlos aneinandergereihte Silben klangen, und dabei leuchteten seine Augen rot durch die Sehschlitze seiner messingfarbenen Maske.
    Der Turm wuchs immer höher, und für einen Moment blendete ein bläulicher Blitz alle, die sich auf seiner Spitze befanden. Danach sahen sie über sich den freien Himmel. Sie hatten jenen magischen Wetterschirm durchdrungen, der den Platz auf der Astgabelung überspannte. Der wachsende Turm hatte ihn einfach durchstoßen, die Magie des Maskierten hatte die nötige Kraft dazu gehabt.
    Immer höher wuchs der Turm und schien dabei alle Gesetze der Statik und der Schwere zu verhöhnen. Ar-Don flatterte überrascht neben der Turmspitze her, und die bisher in der Ferne lauernden dreizahnigen Fledertiere näherten sich nun neugierig, wahrten aber einen gewissen Abstand.
    Eisige Winde umwehten den Hohlspiegel und alle, die sich auf der Turmspitze befanden. Die Luft wurde dünner und das Atmen schwerer. Gorian murmelte eine Stärkungsformel,
die er im Haus der Heiler gelernt hatte, und fragte sich, wie hoch der Maskierte den Turm wohl noch wachsen lassen wollte.
    »Nie zuvor hat ein Mensch aus dieser Höhe hinab auf Erdenrund geblickt«, sagte Torbas, während er über die Zinnen in die Tiefe sah. »So hoch fliegt kein Greifenreiter, da bin ich mir sicher!« Er lachte laut auf, während sein Atem zu Raureif gefror.
    In der Ferne sah Gorian Eisschollen gen Süden treiben. Sie glichen kleinen Inseln und waren gerade groß genug, um ein oder zwei der Leviathane zu befördern, in deren Bäuchen die Horden Morygors auf ihren Einsatz in der Schlacht warteten.
    Einzelne Himmelsschiffe versuchten noch nach Süden zu entkommen. Manche von ihnen waren so überladen, dass selbst die Magie der Gewichtslosigkeit sie nicht über eine gewisse Flughöhe hinaus anzuheben vermochte, und das machte sie zu leichten Angriffszielen. Orxanische Frostkrieger beschossen sie mit Katapulten und Armbrüsten, doch die Geschosse prallten an magischen Schirmen ab.
    Schlimmer war es, wenn sich ein Schwarm Eiskrähen um ein Himmelsschiff gruppierte und die Vögel es mit ihren Körpern einhüllten, so wie sie es auch bei der Hoffnung des Himmels getan hatten. Es dauerte nicht lange, und das betroffene Himmelsschiff wurde zu einem eiförmigen Eisklumpen, den die Frostkrieger mittels mit Katapulten abgeschossenen Seilhaken zu sich heranzogen. Manchmal erlosch der Zauber der Gewichtslosigkeit auch, und das Schiff fiel in die eisige See.
    »Grauenhaft«, murmelte Gorian.
    »Es ist immer eine Frage, auf welcher Seite man steht«, gab Torbas zurück.

    »Eine seltsame Aussage aus deinem Mund und in diesem Moment.«
    Torbas

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