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Gorian 2

Gorian 2

Titel: Gorian 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Gorian empfand. Torbas wirkte nur leicht verwirrt, und Gleiches galt für Sheera, die zwar mit Sicherheit seinen heftigen Gedanken mitbekommen hatte, ihn aber offenbar nicht zu deuten wusste.
    Spürten sie denn nicht, was hier unten lauerte? Waren ihre magischen Sinne so taub und unempfindlich, dass sie nicht erkannten, welch gefährliche Macht sich hier manifestierte?
    Gorian fühlte sich wie gelähmt. Er dachte an den Kampf am Speerstein und wie Morygors üble Aura die ganze Zeit
über auf seiner Seele gelastet hatte. Es war wohl doch kein Zufall, dass er der Einzige gewesen war, der dieser Macht hatte widerstehen und bis zum Speerstein hatte vordringen können.
    Doch auch Thondaril spürte offenbar die unheimliche Kraft, die an diesem Ort herrschte, doch sie ängstigte ihn nicht.
    »Es ist ähnlich, Gorian – aber nicht dasselbe«, antwortete er auf Gorians unausgesprochene Frage.
    »Aber wie kann das sein?«
    »Es ist Caladran-Magie. Vielleicht ist sie in manchen der Schriften so stark, dass sie bis hierher ausstrahlt, ich weiß es nicht.«
    Der Maskierte hüllte sich dazu in Schweigen, während der Diener einen ähnlich irritierten Eindruck machte wie Torbas und Sheera.
    »Mir scheint, der Maskenmann redet nicht mit jedem«, murmelte Torbas, doch sein Sprechstein schwieg, sodass seine Worte nicht übersetzt wurden. Es war zwar Basilisken-Magie, die den Steinen ihre Kräfte verlieh, doch die unterschied sich nicht so sehr von der Magie des Ordens, dass sich ein Sprechstein nicht mit den Gedankenbefehlen eines angehenden Schwertmeisters beeinflussen ließ, und Torbas hatte wohl herausgefunden, wie er den seinen kontrollieren konnte.
     
    Der Maskierte und der Diener führten sie schließlich an eine schwere Holztür. Dahinter befand sich ein Gewölbe, dessen Wände bis zur Decke mit Regalen voller Bücher und Schriftrollen bedeckt waren. Dicke Folianten reihten sich nebeneinander, die Regale waren aus dem Holz des Trockenbaums gefertigt. Der Sinn lag auf der Hand: Das Trockenbaumholz
entzog seiner Umgebung Feuchtigkeit und verhinderte, dass die Schriften schimmelten.
    An einem groben Holztisch mit einem brennenden Kerzenleuchter saß eine hochgewachsene Gestalt in einer Kutte und wirkte wie eine Verkörperung des Todes selbst. Das flackernde Licht der Kerzen tanzte über den dunkelgrauen Stoff, aber der Bereich unter der tief herabgezogenen Kapuze blieb im Schatten verborgen.
    Der Diener verneigte sich und sagte ein paar Worte auf Gryphländisch, während der Maskierte wie eine Statue dastand. Gorian erheischte endlich einen Blick auf seine Augen in den schmalen Sehschlitzen der Metallmaske. Sie wirkten unnatürlich starr.
    Der Kuttenträger hob eine knorrige, bleiche Hand und erklärte: »Ich habe Euch erwartet.«
    Seine Worte wirkten auf Gorian arrogant, ja, fast großspurig, aber immerhin sprach er akzentfreies Heiligreichisch ohne einen klanglichen Hinweis darauf, in welchem der Herzogtümer er diese Sprache erlernt haben mochte.
    »Seid Ihr der Bibliothekar?«, fragte Thondaril.
    »Der bin ich.«
    »Wie ist Euer Name?«
    »Gehört Ihr nicht einem Orden an, dessen Gründer seinen Namen einst als Zeichen der Bescheidenheit ablegte? Ich gebe zu, ich hatte weniger edle Motive. Im Gegenteil, ich verlor meinen Namen nicht einmal aus freien Stücken. Wie auch immer, ich trage zurzeit keinen. Nennt mich also, wie immer es Euch beliebt.«
    Thondaril machte einen Schritt nach vorn. Da stöhnte der namenlose Bibliothekar plötzlich auf und fuhr sich mit seiner klauenartigen Hand an den Kopf. Ein weiterer Laut folgte, der wie ein nur mühsam unterdrückter Schmerzensruf klang.
»Ich bitte Euch, nicht weiterhin so rücksichtslos zu sein und derart hart aufzutreten«, beschwerte er sich. »Ich habe Eure Schritte schon gehört, lange bevor Ihr hierher herabgestiegen seid.«
    »Ihr scheint mir sehr empfindlich«, sagte Thondaril.
    »Empfindlichkeit ist die Kehrseite der Feinsinnigkeit«, erwiderte der Namenlose.
    Thondaril ging nicht weiter darauf ein. »Lasst mich Euch erklären, weshalb wir hier sind.«
    Doch der Namenlose winkte ab. »Das ist nicht nötig, ich weiß es längst. Eure Stimmen waren so aufdringlich wie Eure Gedanken. Sie dröhnten durch diese Mauern und hallten so stark wider, dass es kaum zu ertragen war.« Mit diesen Worten klappte er den ledergebundenen Folianten zu, der zuvor aufgeschlagen vor ihm auf dem Tisch gelegen hatte.
    Gorian hatte einen kurzen Blick darauf werfen und immerhin erkennen können,

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