Gorian 3
Permanent walzten die Eismassen ächzend voran, getrieben vom kalten Hauch der Frostgötter und purer Magie. Aber Letztere schien vorerst nicht in der Lage zu sein, das Frostreich noch weiter nach Süden vordringen zu lassen.
Hin und wieder war ein Flimmern in der Luft zu sehen. Ein Zeichen dafür, welche Kräfte am Werk waren. Ein Großteil der Frostmagie schien einfach getilgt zu werden, so wie es die Errichter des Banns geplant hatten.
Hunderte von Leviathanen mit Abertausenden von begleitenden Wollnashornreitern und noch mehr Truppen in ihren Bäuchen waren bis zum See vorgedrungen. Hier und dort wagten kleinere Verbände von Wollnashornreitern einen Vorstoß nach Süden, aber sie kamen nicht weit. Entweder versperrte ihnen der aufquellende Schmelzwassersee den Weg, oder die noch verbliebenen Landübergänge waren so sumpfig geworden, dass es selbst für die untoten Orxanier und ihre ausgesprochen widerstandsfähigen Reittiere unmöglich war, diese Bereiche zu überqueren. Hinzu kam noch, dass die von Magie aufgepeitschten Frostwinde nicht mit jener Macht über
die Banngrenze hinaus wirkten, die nötig gewesen wäre, um für genug Kälte zu sorgen, damit die Frostkrieger nicht auftauten.
In jenen Gebieten, die das Frostreich bereits erobert hatte, wurden immer wieder Schneemassen von den Eiswinden aufgepeitscht, und Verwehungen schichteten sich viele Klafter hoch an den Steilwänden des Nord-Eldosischen Gebirges auf, fast so, als hätte Morygor den Frostgöttern befohlen, mit ihrem Eisatem am Gipfelplateau eine Schneerampe zu errichten, auf der selbst die Leviathane hätten emporkriechen können.
Auf der Südseite des Schmelzwassersees gab es einige Einheiten unter dem Banner des Herzogs von Eldosien, Ritter und leichte Kavallerie, die offenbar eher als Kundschafter dienten, denn es war nicht zu erwarten, dass sie gegen den übermächtigen Feind auch nur länger als ein paar Augenblicke bestehen konnten. Es befanden sich auch zwei mittelgroße Himmelsschiffe der Caladran sowie mehrere Greifenreiter in der Luft, doch auch deren Aufgabe war offenbar nur, die Lage im Blick zu behalten und sofort zu melden, falls sich irgendetwas Entscheidendes tat.
Und genau eine solche Veränderung stand offenbar unmittelbar bevor. Zu Erkennen war das am Verhalten der Leviathane, als diese sich in Bewegung setzten. Sie wichen sowohl nach Westen als auch nach Osten aus, als wollten sie eine große Gasse bilden. Andere schienen sich sogar ein ganzes Stück Richtung Norden zurückziehen zu wollen. Sie öffneten ihre Mäuler, doch anstatt, dass wie üblich die Truppen Morygors daraus hervorströmten, war es diesmal genau umgekehrt: Die Wollnashornreiter sammelten sich, um im Inneren der gewaltigen Tiere zu verschwinden und sich von ihnen fortbringen zu lassen.
Dass Morygor aber an einen wirklichen Rückzug dachte, konnte sich Gorian nicht vorstellen.
»Unser Hochmeister sollte so schnell wie möglich darüber informiert werden, was hier geschieht«, sagte er und legte die Handflächen aneinander.
Aber Meister Shabran schüttelte den Kopf. »Handlicht lässt sich hier oben nicht verwenden, Gorian. Jedenfalls nur sehr selten, und die Verbindung ist dann schlecht. Allerdings bin ich auch überzeugt davon, dass Hochmeister Thondaril längst alles Wichtige erfahren hat.« Shabran streckte die Hand aus und deutete zu einem der Himmelsschiffe. »Fällt dir auf, dass sich dieses Schiff am Rande des eigentlichen Banngebiets hält? Es ist stets einer unserer Meister an Bord, der alles weitermeldet. Davon abgesehen, was sollte der Hochmeister tun, wenn Morygors Horden tatsächlich hier und jetzt angreifen? Weder die Truppen des Kaisers noch jene des Herzogs von Eldosien sind so beweglich, dass sie rechtzeitig darauf reagieren könnten.«
Gorian ließ den Blick schweifen. Er versuchte nach Art der Caladran zu sehen und konnte daher auch einige etwas weiter entfernte Einzelheiten ausmachen. So sah er im Westen die Überreste einer dahingemetzelten Einheit von eldosischen Truppen, gut erkennbar an ihren Bannern, die nun am Boden lagen. Zerstörte Katapulte waren dort ebenfalls zu sehen, aber auch erschlagene Frostkrieger, denen zumeist die Köpfe fehlten. Ein mit mastlangen Springald-Pfeilen gespickter Leviathan-Kadaver lag halb im Schmelzsee und versank langsam im Morast des südlichen, immer mehr aufweichenden Ufers. Scharen von Aasvögeln taten sich an seinem Fleisch gütlich.
Ohne den Eishauch der Frostgötter konnten die Krieger
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