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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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Räder durch Nachmittag und Abend. Iksa, Dmitrow, Weriliki, Sawelowo, Kalasin, Sonkowo, Krasni Tscholm und Pestowo zogen vorbei. Arkadi trank Tschifir: zwanzigfach konzentrierten Tee, der Tote aufwecken konnte. Er durfte nicht einschlafen, denn sobald er schlief, würde man ihn bestehlen. Der Adrenalinschub bewirkte, dass ihm der kalte Schweiß ausbrach, und sein Puls hämmerte.
    Trotzdem musste Arkadi nüchtern denken. Irgend jemand hatte Mischa erschossen. Hofmann? Arkadi wäre zweimal um ein Haar mit ihm zusammengetroffen. Aber was hatte die Mordfahndung zu bedeuten? Weshalb riskierte Jamskoi, dass die Miliz sich mit diesem Fall befasste? Es sei denn, er hätte bereits alle Spuren in dem Versteck der im Gorki-Park Ermordeten beseitigt. Es sei denn, er rechne fest damit, dass sein Chefinspektor bei dem Versuch, sich der Festnahme zu entziehen, den Tod finden werde. Oder dass er sofort für unzurechnungsfähig erklärt werden könne. Vielleicht war er das tatsächlich schon …
    Nachts wurde der Wodka knapp. Als der Zug auf dem Bahnhof einer Kleinstadt hielt, um Wasser zu tanken, schwärmten die Arbeiter aus und plünderten das Schnapsregal des einzigen Lebensmittelgeschäfts. Die beiden Milizionäre des Orts standen dem Treiben dieser wilden, grölenden Horde hilflos gegenüber. Als die Plünderer mit ihrer Beute zurück waren, fuhr der Zug weiter.
    Kabosa, Tschwojnaja, Budogosc, Posadnikowo, Kolpino. Leningrad, Leningrad, Leningrad.
    Funkensprühende Nahverkehrszüge auf Parallelgleisen. Die Morgensonne spiegelte sich im Finnischen Meerbusen. Der Zug fuhr in das »Venedig des Nordens« ein, das Arkadis rotgeränderten Augen als eine graue Stadt erschien.
    Als der Zug auf dem Finnischen Bahnhof einfuhr, sprang Arkadi ab, noch bevor er ganz ausgerollt war, und schwenkte den roten KGB-Dienstausweis des Pockennarbigen, den Kirwill erschlagen hatte.
    Aus den Lautsprechern kam heroische Musik. Es war der Morgen vor dem Maifeiertag.
    Hundert Kilometer nördlich von Leningrad, auf einer Ebene zwischen der russischen Stadt Luschaika und der finnischen Großstadt Imatra, überquerten die Bahngleise die Grenze. Es gab keinen Grenzzaun. Diesseits und jenseits der Grenze lagen Rangiergleise, Zollschuppen und getarnte Bunker mit Funkantennen. Auf der russischen Seite war der Schnee schmutzig, weil die Russen noch Dampfloks einsetzten, die schlechte Kohle verfeuerten; auf der finnischen Seite war er sauberer, weil die Finnen mit Dieselloks fuhren.
    Arkadi stand neben dem Kommandanten der sowjetischen Grenzwache und sah einem finnischen Major nach, der zu dem 50 Meter entfernten finnischen Wachgebäude zurückging.
    »Wie die Schweizer!« Der Kommandant spuckte aus. »Wenn sie könnten, würden sie auf unserer Seite den ganzen Ruß wegkehren.« Er machte einen halbherzigen Versuch, seine roten Kragenabzeichen zu befestigen. Die Grenztruppen unterstanden dem KGB, aber ihre Offiziere rekrutierten sich hauptsächlich aus der sowjetischen Armee. Der Kommandant hatte einen Stiernacken, eine schiefe Boxernase und zusammengewachsene buschige Augenbrauen. »Er fragt mich jeden Monat, was er mit dem verdammten Schrein tun soll. Woher, zum Teufel, soll ich das wissen?«
    Er schützte Arkadis Streichholz mit beiden Händen, damit sie sich ihre Zigaretten anzünden konnten.
    Der sowjetische Posten, der mit umgehängter Maschinenpistole am Gleis stand, beobachtete den Besucher neugierig.
    »Ihnen ist wahrscheinlich klar, dass ein Chefinspektor aus Moskau hier ungefähr soviel zu sagen hat wie ein Chinese«, erklärte der Kommandant Arkadi.
    »Sie wissen doch, welcher Trubel in Moskau vor dem Maifeiertag herrscht«, antwortete Arkadi. »Bis ich die erforderlichen Genehmigungen mit allen Stempeln und Unterschriften eingeholt hätte, wäre vielleicht schon wieder ein Mord passiert.«
    Jenseits der Grenze marschierte der Major mit zwei Grenzposten zu einem Zollschuppen. Dahinter führten hügelige Wege in das finnische Seengebiet. Entlang der Grenze war das Gelände eben und mit Erlen, Eschen und Heidelbeerbüschen durchsetzt. Es ließ sich leicht überwachen.
    »Die hiesigen Schmuggler bringen Kaffee, Butter oder auch nur Devisen mit«, berichtete der Kommandant. »Für die Läden, in denen es gegen Devisen Westwaren gibt. Sie schmuggeln nie was raus. Eigentlich fast beleidigend, was? Ziemlich ungewöhnlich, dass jemand wegen eines Kriminalfalls bis hierher zu uns kommt.«
    »Hübsche Gegend hier«, stellte Arkadi fest.
    »Vor allem sehr

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