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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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ruhig.« Der Kommandant zog eine flache Taschenflasche aus der Jacke. »Wollen Sie einen Schluck?«
    »Gern.« Arkadi nickte dankend und trank von dem körperwarmen Kognak.
    »Manche Männer vertragen es nicht, eine Grenze bewachen zu müssen - eine imaginäre Linie. Sie drehen einfach durch. Oder sie werden bestechlich. Manchmal versuchen sie auch selbst, über die Grenze zu gehen. Ich könnte sie >auf der Flucht< erschießen lassen, aber ich schicke sie nur nach Hause, um sie auf ihren Geisteszustand untersuchen zu lassen. Wissen Sie, Chefinspektor, wenn ich’s mit einem Mann zu tun hätte, der ohne die erforderliche Genehmigung aus Moskau hierher käme, um bei den Grenztruppen Süßholz zu raspeln, würde ich ihn auch auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen.«
    Arkadi erwiderte seinen Blick. »Das würde ich auch tun.«
    »Na, dann sind wir uns ja einig!« Der Kommandant schlug ihm auf die Schulter. »Ich bin gespannt, was der Finne sagt. Er ist ein Kommunist, aber Finne bleibt trotzdem Finne.«
    Das Tor des Zollschuppens ging wieder auf. Der finnische Major kam mit einem Briefumschlag in der Hand zurück.
    »Hat unser Chefinspektor recht gehabt?« fragte der Kommandant.
    Der Major hielt Arkadi mit angewiderter Miene den Briefumschlag hin. »Tierkot. In sechs Fächern im Schrankinneren. Woher haben Sie das gewusst?«
    »Der Schrein ist ausgepackt gewesen?« lautete Arkadis Gegenfrage.
    »Wir haben ihn ausgepackt«, warf der Kommandant ein. »Alle Verpackungen werden auf der sowjetischen Seite geöffnet.«
    »Ist der Schrein von innen kontrolliert worden?« fragte Arkadi.
    »Wozu, wenn Finnland und die Sowjetunion doch beste Beziehungen zueinander haben?« wollte der Finne wissen.
    »Und wie bekommt man eingeführte Gegenstände aus Ihrem Zolllager heraus?« erkundigte Arkadi sich.
    »Das ist ganz einfach. Bei uns im Schuppen lagern nur selten Waren; die meisten Gegenstände bleiben im Zug nach Helsinki. Ausgehändigt werden Sendungen gegen Vorlage eines Eigentumsnachweises, eines Personalausweises und der Zollquittung. Wir haben keinen Mann am Tor stehen, aber wir würden natürlich merken, wenn jemand einen so großen Gegenstand fortschleppen wollte. Wir unterhalten hier allerdings in Absprache mit der Sowjetunion nur eine eher symbolische Grenztruppe, um unseren uns freundschaftlich gesinnten Nachbarn nicht zu provozieren. Jetzt müssen Sie mich bitte entschuldigen: Ich habe dienstfrei und muss noch weit fahren, wenn ich am Maifeiertag zu Hause sein will.«
    Von Wiborg in der Nähe der Grenze flog Arkadi nach Leningrad und stieg dort in die Abendmaschine nach Moskau um. Die meisten Passagiere waren Soldaten, die zwei Tage Urlaub hatten und schon jetzt zu trinken begannen.
    Arkadi schrieb einen ausführlichen Bericht über seine Ermittlungen. Er steckte ihn in den undurchsichtigen Plastiksack, der bereits eine ganze Sammlung von Beweismitteln enthielt: den Umschlag mit Tierkot, Haarproben aus Kostja Borodins Käfigen, Gegenstände aus dem Besitz der Ermordeten, der sich in den Seekisten befunden hatte, die Kassette mit Irinas Aussage und das Tonband mit dem am 2. Februar geführten Telefongespräch zwischen Osborne und Hofmann. Arkadi adressierte den Sack mit einem Gepäckanhänger an den Generalstaatsanwalt.
    Innerhalb weniger Stunden würden Osborne und Kirwill mit der gleichen Maschine nach Hause fliegen. Arkadi bewunderte einmal mehr, mit welcher Präzision Osborne sein Auf- und Abtreten plante. Noch am Tag bevor Kostja Borodins sechs sibirische Zobel in dem Schrein versteckt von Moskau nach Leningrad geflogen waren, hatte Hofmann sich Sorgen wegen einer Verspätung des Flugzeugs gemacht. Wie lange ließen sich so kleine Tiere gefahrlos betäuben? Drei, vier Stunden?
    Jedenfalls lange genug für den Flug nach Leningrad. Dort konnte Hofmann sie auf dem Transport vom Flughafen zum Bahnhof erneut betäubt haben. Danach war der Schrein zu einem unterbesetzten Grenzübergang befördert worden, wo Osborne - der inzwischen aus Helsinki eingetroffen war - ihn bereits erwartet hatte. Auf russischer Seite war nur die Verpackung geöffnet worden; die Finnen hatten Osborne den Gefallen getan, den Schrein unbewacht zu lassen. Oder hatte er einen der Finnen bestochen? Jedenfalls war er oder sein Komplize unbemerkt an den Inhalt herangekommen.
    Kostja Borodin, Valeria Dawidowa und James Kirwill waren im Gorki-Park ermordet worden. Und John Osborne versteckte irgendwo außerhalb der Sowjetunion sechs

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