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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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Bargusin-Zobel.
    Die Maschine setzte aus der Abenddämmerung zur Landung auf dem bereits nachtdunklen Flughafen an.
    Auf dem Flughafenpostamt gab Arkadi den Sack als Paket auf. Unabhängig von seinem persönlichen Schicksal würde sein Bericht in drei bis vier Tagen - die Verzögerung war durch den Feiertag bedingt - auf dem Schreibtisch des Generalstaatsanwalts liegen.
    Der Hof wurde vermutlich überwacht. Arkadi betrat das Gebäude durch den seitlichen Kellerzugang, stieg die Treppe zu seiner Wohnung hinauf und zog sich, ohne Licht zu machen, seine Uniform als Chefinspektor an. Die Uniform war marineblau mit den vier Messingsternen eines Hauptmanns auf den Schulterstücken und einem roten Stern auf dem goldgewirkten Mützenband der Schirmmütze.
    Während er sich rasierte, hörte er die Übertragung von »Schwanensee« aus dem Kongresspalast im Kreml, denn in den Wohnungen über und unter ihm liefen die Fernsehgeräte. Der Ansager nannte die zahlreichen Ehrengäste, aber Arkadi konnte nicht hören, ob Osborne zu ihnen gehörte. Er steckte seine Pistole in die Innentasche seiner Uniformjacke.
    Auf der Strasse brauchte er fast eine halbe Stunde, um ein Taxi zu finden. Die nähere Umgebung des Roten Platzes war für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Arkadi bezahlte die Fahrt mit seinen letzten Rubeln und überquerte den Swerdlow-Platz, als William Kirwill eben das Hotel Metropol verließ, um mit seinem Koffer zu einem Intourist-Bus zu gehen. Mit Trenchcoat und Tweedhut unterschied er sich kaum von den etwa 15 Amerikanern, die bereits am Bus warteten. Als Arkadi die kleine Grünanlage in der Mitte des Platzes durchquerte, erkannte Kirwill ihn und schüttelte warnend den Kopf. Arkadi blieb stehen. Er sah sich um und stellte fest, dass überall Kriminalbeamte warteten: in dem Auto hinter dem Bus, im Hotelcafe und an den Strassenecken. Kirwill stellte seinen Koffer ab und sah sich betont nach allen Kriminalbeamten um, die Arkadi vielleicht übersehen hatte. Der Intourist-Fahrer kam aus dem Hotel geschlendert, warf seinen Zigarettenstummel in den Rinnstein und ließ die Touristen einsteigen.
    »Osborne«, formte Arkadis Mund von der Platzmitte aus.
    Kirwill starrte ihn forschend an. Er hatte den Namen nicht verstanden. Den Namen, den er verzweifelt erfahren wollte und der nun ungesagt bleiben musste.
    Aus den Lautsprechern des Busradios drang »Schwanensee«. Kirwill stieg als letzter ein. Unterdessen war Arkadi verschwunden.
    Monströse Blumengebilde warteten auf dem Dserschinski-Platz auf die Parade am nächsten Morgen.
    Arkadi ließ sich von einem Mannschaftstransportwagen, in dem nur zwei Soldaten saßen, zum Roten Platz mitnehmen. Im Scheinwerferlicht hob die von Zinnen gekrönte Kremlmauer sich scharf vom dunklen Nachthimmel ab.
    Entlang der Maneschnaja-Strasse jenseits des Kremls parkten schwarze Limousinen: nicht gewöhnliche Tschaika-Limousinen, sondern die gepanzerten und mit Antennen gespickten Sils von Mitgliedern des Zentralkomitees. Entlang der Strasse hielten Milizionäre Wache, während auf dem Maneschnaja-Platz Motorradstreifen patrouillierten. Arkadi stieg vor dem Kutafja-Turm des Kremls aus. Seine Uniform genügte als Identifizierung, als er einem kontrollierenden KGB-Agenten erklärte, er habe dem Generalstaatsanwalt eine Nachricht zu überbringen. Arkadi verließ den Bereich der von Scheinwerfern aus dem Alexander-Garten angestrahlten weißen Brücke, die zum Dreifaltigkeitstor des Kremls führte, und schlenderte zur Manege, der Reitschule der Zaren, hinüber.
    Er brauchte nicht lange zu warten. Aus dem Lautsprecher eines vorbeifahrenden KGB-Wagens drang das Finale der Ballettsuite »Schwanensee«. Dann rauschte Beifall auf. Die Vorstellung war zu Ende.
    Um noch rechtzeitig zum Flughafen zu kommen, würde Osborne auf die Teilnahme an dem offiziellen Empfang nach der Vorstellung verzichten müssen. Trotzdem gehörte er nicht zu dem ersten Schub herausströmender Ballettbesucher, die über die Brücke kamen und von ihren Chauffeuren abgeholt wurden. Arkadi setzte sich in Bewegung, sobald er endlich die elegante schlanke Gestalt in dem schwarzen Mantel und der Zobelmütze auf der Brücke erkannte. Osborne trat vom Gehsteig auf die Fahrbahn, wo eine Limousine für ihn herangerollt war, bevor er Arkadi kommen sah.
    Arkadi spürte, wie der Amerikaner bei seinem Anblick zusammenzuckte. Aber Osborne hatte sich sofort wieder in der Gewalt. Sie trafen an der Limousine zusammen und starrten sich über das

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