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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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sehen selbst, welche Schlussfolgerungen sich mir geradezu aufdrängen, Feodor. Zwei Bürger kommen Tausende von Kilometern weit nach Moskau und halten sich hier sechs bis acht Wochen verborgen kaum lange genug, um sich Feinde zu machen, wenn man von geschäftlichen Konkurrenten absieht. Dann werden sie von irgendeinem Sadisten, einem gesellschaftlichen Parasiten ermordet. Wie Sie merken, schildere ich einen sehr seltenen Vogel - einen Kapitalisten, könnte man sagen. Oder genauer gesagt: Sie, Feodor! Können Sie sich vorstellen, wie stark der Druck auf einen Ermittlungsbeamten ist, einen derartigen Fall abzuschließen? Ein anderer würde vermutlich nicht lange zögern. Sie sind beim Streit mit den Ermordeten beobachtet worden. Sie sind beim Mord beobachtet worden. Das ist kein großer Unterschied mehr.« Golodkin starrte Arkadi an. Fisch und Fischer. Der Chefinspektor spürte, dass dies seine einzige Chance war, bevor der Angelhaken ausgespuckt wurde.
    »Falls Sie sie ermordet haben, Feodor, werden Sie wegen Mordes aus Habgier zum Tode verurteilt. Falls Sie einen Meineid leisten, kriegen Sie zehn Jahre aufgebrummt. Falls ich den Eindruck habe, dass Sie mich belügen, sorge ich dafür, dass Sie wegen der Kleinigkeiten, von denen wir anfangs gesprochen haben, ins Arbeitslager kommen. Dort können Sie sich auf einiges gefasst machen, Feodor.
    Die anderen Häftlinge haben etwas gegen Polizeispitzel, vor allem schutzlose Spitzel. Nein, Sie können es sich nicht leisten, in ein Arbeitslager geschickt zu werden, Feodor. Sie wissen so gut wie ich, dass Sie innerhalb eines Monats mit durchschnittener Kehle aufgefunden werden würden.«
    Der Georgier schwieg verbissen. Sein angetrunkener Mut verflüchtigte sich.
    »Ich bin Ihre einzige Hoffnung, Feodor, Ihre einzige Chance. Erzählen Sie mir, was Sie über Osborne und die Sibirier wissen.«
    Golodkin beteuerte nochmals seine Unschuld; dann schlug er die Hände vors Gesicht und packte aus.
    »Ich kenne einen Deutschen, einen gewissen Hofmann. Ich hab ihm manchmal Mädchen verschafft. Er hat mir von einem Freund erzählt, der sich für Ikonen interessiere, und mich auf einer Party mit Osborne bekannt gemacht.
    Osborne hat in Wirklichkeit gar kein Interesse an Ikonen gehabt. Er wollte einen Betstuhl oder einen Schrein mit religiösen Motiven. Für einen schönen großen Schrein hat er mir zweitausend Dollar versprochen. Ich hab den ganzen Sommer lang nach was Passendem gesucht und tatsächlich einen Schrein gefunden. Osborne kommt wie vereinbart im Dezember zurück. Ich rufe ihn an, um ihm die freudige Mitteilung zu machen, aber der Kerl legt einfach auf. Ich fahre sofort ins Rossija, sehe Osborne und Hofmann rauskommen und folge ihnen zum Swerdlow-Platz, wo sie sich mit zwei Bauernlümmeln - den Leuten auf Ihren Bildern - treffen. Hofmann und Osborne verschwinden, und ich knöpfe mir die beiden vor.
    Da stehen die beiden mitten in Moskau und riechen nach Terpentin! Ich weiß, was gespielt wird, und sage ihnen auf den Kopf zu, dass sie einen Schrein restaurieren, um ihn Osborne zu verkaufen, während ich auf meinem sitzen bleibe. Ich verlange eine Entschädigung für den entgangenen Gewinn und meine Unkosten. Ich verlange fünfzig Prozent ihres Gewinns - sozusagen als Provision.
    Der Kerl, dieser sibirische Gorilla, legt mir freundlich einen Arm um die Schultern, und im nächsten Augenblick spüre ich ein Messer an der Kehle! Mitten auf dem Swerdlow-Platz! Er fordert mich auf, Osborne und ihn in Zukunft nicht wieder zu belästigen. Können Sie sich das vorstellen? Das war Mitte Januar - am Neujahrstag nach alter Zeitrechnung. Um uns herum waren die meisten Passanten betrunken, und ich wäre verblutet, ohne dass sich ein Mensch um mich gekümmert hätte. Der Sibirier lachte nur und ging mit seinem Flittchen weiter.«
    »Sie haben nicht gewusst, dass die beiden tot sind?« fragte Arkadi.
    »Nein!« Golodkin hob den Kopf. »Ich bin ihnen nie wieder in die Quere gekommen. Halten Sie mich für blöd?«
    »Aber Sie haben den Mut aufgebracht, Osborne anzurufen, sobald Sie wussten, dass er wieder in Moskau war.«
    »Das ist nur ein Versuchsballon gewesen. Ich habe den für ihn beschafften Schrein noch immer. Er ist praktisch unverkäuflich, weil er sich nicht außer Landes bringen lässt. Mein einziger Kunde wäre Osborne gewesen. Ich weiß nicht, was er damit vorgehabt hat.«
    »Und gestern haben Sie sich mit Osborne im Gorki-Park getroffen«, behauptete der Chefinspektor.
    »Nein,

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