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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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dir die Wohnung überlassen.« Sie wartete auf seine Antwort. »Hörst du überhaupt zu?«
    »Ja«, sagte Arkadi halblaut ins Telefon.
    Ljudin zählte die auf einem Tisch liegenden Gegenstände auf. »Drei Schlüsselringe mit jeweils dem gleichen Schlüssel. Ein Feuerzeug. Eine leere Flasche Wodka der Marke Extra. Eine halbleere Flasche Kognak Martell. Ein Paar SpartakSchlittschuhe Größe dreiundvierzig. Ein zerbrochenes Einmachglas mit französischen Erdbeeren - nicht hier, sondern im Ausland gekauft.«
    »Kein Brot, kein Käse, keine Wurst?«
    »Damit haben die Fische gründlich aufgeräumt, mein lieber Chefinspektor. Wir haben lediglich Spuren von menschlichem und tierischem Gewebe gefunden.«
    »Arkadi, du musst sofort kommen!« drängte Sonja. »Das sieht besser aus, und wir können allein mit der Richterin sprechen. Das habe ich schon vereinbart.«
    »Tut mir leid, ich bin beschäftigt.« Arkadi sah zu Ljudin auf.
    »Fingerabdrücke?«
    »Haben Sie wirklich welche erwartet?« lautete Ljudins Gegenfrage.
    »Sofort!« wiederholte Sonja. »Ich verlange, dass du … «
    Arkadi bedeckte die Sprechmuschel mit einer Hand. »Entschuldigen Sie mich bitte für eine Minute, Oberst.«
    Ljudin zog demonstrativ seine altmodische Taschenuhr, als er mit einem Schwarm Assistenten von dem Tisch zurücktrat. Arkadi kehrte ihnen den Rücken zu und flüsterte ins Telefon: »Was hast du als Scheidungsgrund angegeben? Dass ich dich schlage? Dass ich trinke?«
    »Unverträglichkeit«, erklärte Sonja ihm knapp. »Dafür habe ich Zeugen - Natascha und Dr. Schmidt.«
    »Was ist mit …« Er war wie vor den Kopf geschlagen. »Wie wirkt sich das auf deine Parteikarriere aus?«
    »Iwan …«
    »Iwan?«
    »Dr. Schmidt sagt, dass ich keine Nachteile zu erwarten habe.«
    »Gott sei Dank! Und wie unverträglich sind wir?«
    »Kommt ganz darauf an«, meinte Sonja geheimnisvoll. »Jedenfalls wird’s dir Leid tun, wenn’s zu einer öffentlichen Verhandlung kommt.«
    »Weshalb?«
    »Wegen deiner Bemerkungen, deiner ganzen Einstellung der Partei gegenüber.«
    Arkadi starrte den Hörer an. Dann gab er sich einen Ruck. »Deine Zukunft leidet bestimmt nicht darunter«, sagte er energisch. »Ich brauche Zeit bis Anfang Mai. Nur noch ein paar Tage!« Er legte auf.
    Ljudin klatschte in die Hände. »Zurück an die Arbeit. Die Pistole liegt noch im Säurebad, aber ich kann Ihnen schon jetzt sagen, dass meine Experten auf eine Mannlicher tippen, deren Kaliber mit den im Gorki-Park gefundenen Kugeln übereinstimmt. Bis morgen wollen wir … Chefinspektor Renko, hören Sie überhaupt zu?«
     
    Arkadi verbrachte den Nachmittag damit, Akten zu wälzen, die Bestätigung einzuholen, dass eine Schiguli-Limousine auf den Namen Hans Hofmann zugelassen war, und Osbornes Visa erneut zu überprüfen. Der Amerikaner war mit dem Zug von Paris nach Leningrad gereist und dort am 2. Januar angekommen. Selbst im Schlafwagen musste die lange Bahnfahrt durch Frankreich, Deutschland und Polen ermüdend gewesen sein - vor allem für einen an Luxus gewöhnten Geschäftsmann wie Osborne.
    Aber der Seeweg nach Leningrad war im Winter zugefroren, und die Kontrollen auf den Flughäfen hätten die Mannlicher zutage fördern können.
    Am Spätnachmittag wohnte Arkadi der Feuerbestattung Pascha Pawlowitschs bei, dessen Leichnam endlich freigegeben worden war, damit er in einen Fichtensarg gelegt und in einen Verbrennungsofen geschoben werden konnte.
    Der Chefinspektor betrat die Kneipe, in der er sich schon einmal mit Schwan getroffen hatte. An runden Tischen hockten Fabrikarbeiter mit Bierflaschen in den schwieligen Händen, verschwitzten Jacken über den Stuhllehnen und rohen Zwiebeln und Messern auf ihren Tellern. Auf der Theke stand ein Fernsehgerät, obwohl es eigentlich verboten war, Fernseher in Lokalen aufzustellen. Über den Bildschirm flimmerte ein Fußballspiel: Moskau gegen Odessa.
    Kirwill, der diesmal eine Lederjacke und eine Schlägermütze trug, hatte sich einen Tisch in der hintersten Ecke gesichert. Vor ihm stand eine halbleere Wodkaflasche. Arkadi fragte sich, wie viel Kirwill heute schon getrunken haben mochte.
    »Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe«, entschuldigte er sich. »Schon gut!« Kirwill winkte ab.
    »War die Mannlicher die Tatwaffe?«
    »Sieht so aus.«
    Der Amerikaner beugte sich nach vorn. »Kommen Sie, ich lade Sie ein, Renko. Sie vertragen doch einen kräftigen Schluck?«
    Arkadi überlegte, ob er wieder gehen solle. Kirwill war schon

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