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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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das Bett. »Wir sind alle nur Menschen, aber sehen Sie zu, dass Sie sie loswerden, wenn Sie mit ihr fertig sind.«
    Sie hatten beide noch nichts getrunken. Arkadi stieß mit dem Besucher an. »Auf Sibirien!« sagte er.
    Wiskow starrte Irina weiter vorwurfsvoll an. Dann zückte er mit den Schultern und leerte sein Glas auf einen Zug.
    Der Wodka brannte auf Arkadis aufgeplatzter Unterlippe. »Warum wollen Sie ausgerechnet nach Sibirien?« erkundigte er sich.
    »Dort werden junge Leute für den Bahnbau gesucht.« Wiskow ging anfangs nur zögernd auf das neue Thema ein. »Man kriegt höhere Prämien, viel mehr Urlaub und eine komplett eingerichtete Wohnung.
    Dort kann man noch frei leben! Und wenn ich eines Tages Kinder habe, sollen sie anders aufwachsen als hier in der Großstadt. Vielleicht jagen wir in hundert Jahren die Moskowiter zum Teufel und machen uns selbständig. Na, was halten Sie davon?«
    »Ich wünsche Ihnen viel Glück, Juri.«
    Mehr gab es nicht zu sagen. Eine Minute später beobachtete Arkadi, wie der junge Mann gegen den Wind ankämpfend über den Hof ging und auf der Strasse verschwand. Tiefe Wolken jagten über den Abendhimmel. Das Fenster erzitterte bei jedem Windstoß.
    »Ich hab Ihnen verboten, von hier aus zu telefonieren.« Arkadi drehte sich nicht um. »Sie hätten ihn nicht anrufen dürfen.«
    Obwohl seine Hand flach auf dem Fenster lag, spürte er das Zittern. Irina spiegelte sich weiß in der Fensterscheibe. Hätte ein anderer an die Tür geklopft, wäre Irina jetzt vielleicht tot. Arkadi merkte, dass nicht das Fenster zitterte, sondern seine Hand.
    Er starrte sein Spiegelbild in der Scheibe an. Wer war dieser Mann? Er gestand sich ein, dass ihm Wiskow, den er erst vor wenigen Monaten gerettet hatte, völlig gleichgültig war. Er hatte nur einen Wunsch: Irina Asanowa. Diese Besessenheit war so augenfällig, dass selbst der angetrunkene Wiskow sie erkannt hatte. Arkadi hatte noch nie etwas begehrt; in seinem bisherigen Leben hatte es nichts Begehrenswertes gegeben. Begierde war ein zu blasses Wort für das, was er jetzt empfand. Das Leben war so düster und eintönig, solch ein Schattendasein. Irina brannte in diesem Dunkel so hell, dass sie sogar ihn entflammte.
    »Er hat’s gesehen«, sagte Arkadi. »Er hat recht gehabt.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich rede von mir. Deine Freundin Valeria interessiert mich nicht. Mir ist egal, ob Osborne knietief in Blut watet. Meine Ermittlungen haben sich längst festgelaufen. Ich versuche nur noch, dich hier bei mir zu behalten.« Jedes Wort war eine Überraschung für ihn; sogar seine Stimme klang ganz anders.
    »Wahrscheinlich habe ich seit unserer ersten Begegnung unbewusst darauf hingearbeitet, dich hierher zu bekommen. Ich bin nicht der Chefinspektor, für den du mich gehalten hast, und ich bin nicht der Chefinspektor, für den ich mich gehalten habe. Ich kann dich nicht beschützen. Wenn die anderen vorher nicht gewusst haben, dass du hier bist, wissen sie es jetzt. Sie haben bestimmt mein Telefon abgehört. Wohin willst du also?«
    Arkadi drehte sich nach Irina um. Er brauchte einen Augenblick, um den metallischen Glanz der Pistole in ihrer Hand zu erkennen. Sie legte die Waffe wortlos auf seinen Mantel zurück. »Was ist, wenn ich nicht fort will?« fragte sie.
    Sie trat in die Mitte des Zimmers, zog sich mit einer raschen Bewegung das Kleid über den Kopf und streifte ihren Slip ab. »Ich will hier bleiben«, sagte sie.
    Ihr Körper leuchtete porzellanweiß. Sie stand mit hängenden Armen da, ohne zu versuchen, sich zu bedecken. Ihre Lippen öffneten sich leicht, als Arkadi auf sie zukam, und ihre Pupillen schienen sich noch weiter zu öffnen, als er sie berührte.
    Er drang stehend in sie ein, und als sie sich dann küssten, spürte er ihre Hände in seinem Haar und auf seinem Rücken. Sie schwankten und sanken zu Boden, wo sie ihn mit den Beinen umschlang. »Dann liebst du mich also auch«, sagte sie.
    Später, im Bett, beobachtete er, wie sich ihre Brust beim Atmen hob und senkte.
    »Das ist eine rein körperliche Angelegenheit.« Sie legte ihre Hand mit gespreizten Fingern auf seine Brust. »Das hab ich gleich gemerkt, als wir uns im Studio begegnet sind. Ich hasse dich noch immer.«
    Der Regen trommelte ans Fenster. Seine Hand glitt über ihre weiße Hüfte.
    »Ich hasse dich noch immer; ich nehme nichts zurück«, sagte sie. »Aber wenn du in mir bist, ist mir alles andere gleichgültig. Ich glaube, dass du auf gewisse Weise schon

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