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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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weil Osborne gemerkt hat, dass er reingelegt worden war?«
    »Davon weiß ich nichts.«
    »Ich weiß, dass Ihre Freundin Valeria dicht neben Osborne gestanden hat, als Borodin und Kirwill im Schnee gestorben sind, und dass sie nicht weggelaufen ist oder um Hilfe gerufen hat. Das lässt nur einen Schluss zu: Sie muss gewusst haben, dass die beiden ermordet werden würden; sie muss Osbornes Komplizin gewesen sein. Vielleicht hat Osborne ihr erzählt, er könne nur eine Person außer Landes schaffen. Valeria musste sich entscheiden, und sie war ein kluges Mädchen. Sollte sie etwa um Hilfe rufen, wenn sie sich mit Osborne verbündet hatte, um die beiden zu ermorden? Sie wollte Arm in Arm mit ihrem Amerikaner über ihre Leichen gehen! Aber… «
    »Aufhören!«
    »Stellen Sie sich ihre Überraschung vor, als auch sie dran war. Nun war’s zu spät für Hilferufe.
    Nachträglich kommt einem diese Szene fast unglaublich vor. Aber wenn Valeria nicht einmal um Hilfe gerufen hat, als ihr Geliebter und ein unbeteiligter Ausländer vor ihren Augen erschossen wurden, ist sie wirklich dumm gewesen. Dann hat sie’s verdient, auf gleiche Weise ermordet zu werden.«
    Irina schlug ihn ins Gesicht. Arkadi schmeckte Blut von seiner aufgeplatzten Unterlippe.
    »Jetzt wissen Sie, dass sie tot ist«, stellte er fest. »Sie haben mich geschlagen, weil Sie mir glauben.«
    In diesem Augenblick klopfte jemand an die Wohnungstür. »Chefinspektor Renko«, sagte eine Männerstimme.
    Irina schüttelte den Kopf. Auch Arkadi erkannte die Stimme nicht. »Chefinspektor, wir wissen, dass Sie zu Hause sind - und dass Sie nicht allein sind«, fuhr die Stimme fort.
    Arkadi gab Irina ein Zeichen, im Schlafzimmer zu verschwinden, trat an seinen auf dem Ausguss liegenden Mantel und zog die Pistole aus der Tasche. Er sah, wie Irina die Waffe anstarrte. Arkadi hätte die Makarow lieber im Mantel gelassen; er wollte niemand erschießen - und er wollte erst recht nicht in seiner eigenen Wohnung erschossen werden. Er stellte sich dicht neben die Tür, schloss mit der freien Hand auf und umklammerte dann die Klinke.
    »Herein!« sagte er heiser.
    Sobald Arkadi spürte, dass jemand die Tür zu öffnen versuchte, riss er sie ganz auf. Ein junger Mann Anfang Zwanzig kam in die Diele gestolpert und grinste beschwipst, als sei ihm ein wunderbarer Trick geglückt. Der Chefinspektor erkannte Juri Wiskow, der durch Jamskois Eintreten vom Obersten Gerichtshof freigesprochen worden war - den Sohn des Ehepaars Wiskow aus der Schnellimbissstube.
    »Ich reise morgen nach Sibirien ab.« Er zog eine Flasche Wodka aus seiner Windjacke. »Aber vorher wollte ich noch einen Schluck mit Ihnen trinken!«
    Arkadi brachte es fertig, die Pistole verschwinden zu lassen, während Wiskow ihn umarmte. Irina kam zögernd aus dem Schlafzimmer. Der junge Mann strahlte vor Selbstzufriedenheit. Er trug die Flasche übertrieben vorsichtig zum Ausguss, in dem Gläser standen.
    »Wir haben uns seit Ihrer Entlassung nicht mehr gesehen«, stellte Arkadi fest.
    »Ich hätte vorbeikommen und Ihnen danken sollen.« Wiskow balancierte die übervollen Gläser. »Aber Sie wissen ja, wie viel man zu tun hat, wenn man aus der Haft entlassen wird … «
    Er hatte nur zwei Gläser vollgeschenkt, obwohl vier im Ausguss standen. Arkadi spürte, dass der Besucher Irina absichtlich ausschloss, und sah, wie sie an der Schlafzimmertür zögerte.
    »Sie kennen sich?« fragte er Wiskow, als sie ihre Gläser hoben.
    »Nur flüchtig«, antwortete der junge Mann. »Sie hat heute rumtelefoniert, um sich nach Ihnen zu erkundigen, und ein gemeinsamer Bekannter hat mich mit ihr reden lassen. Ich hab ihr erzählt, dass Sie mich gerettet haben, denn was wahr ist, muss wahr bleiben!«
    »Ich hab ihn nicht aufgefordert, hierher zu kommen«, warf Irina ein.
    »Und ich bin hier, um mit dem Chefinspektor zu sprechen. Ich bin Eisenbahner, kein Dissident.«
    Wiskow kehrte ihr den Rücken zu und legte Arkadi freundschaftlich besorgt eine Hand auf den Arm.
    »Sehen Sie zu, dass Sie sie loswerden! Sie bringt Ihnen nur Unglück. Wie kommt sie dazu, sich nach Ihnen zu erkundigen? Sie sind der einzige, der mir jemals geholfen hat. Wenn’s keine Dissidenten wie sie gäbe, müssten weniger Menschen leiden, wie meine Eltern gelitten haben. Ein paar Leute machen Schwierigkeiten, und Tausende von ehrlichen Bürgern werden verhaftet.« Arkadi sah genau, was der junge Mann denken musste, als er sich erneut umdrehte: Irina, die offene Tür und

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