Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
Vom Netzwerk:
Hause sitzt.
    Trotz dieser Einsicht blätterte er noch einige Seiten weiter, ließ den Blick über die Zeilen schweifen und blieb an vier Flaschen Riesling hängen, die ebenfalls Anfang Juli aus dem Keller geholt worden waren, nur wenige Tage nach dem Geburtstag der Ehefrau, aber in einem anderen Jahr: am sechsten Juli 1994. Neben dem Datum stand »Abenteuer«. Die Notiz regte Fredriks Phantasie an. Aufs Geratewohl blätterte er vor und zurück und entdeckte noch weitere Flaschen, die für das »Abenteuer« aus dem Keller geholt worden waren. Alle Eintragungen stammten aus dem Sommer, die meisten von Juli, manche von Anfang August. Abenteuer, immer nur dieses eine Wort. Was mochte das für ein Abenteuer gewesen sein?
    Fredrik klappte das Kellerbuch zu und versuchte die entsprechenden Daten in einem der Tagebücher zu finden. Schnell merkte er, dass sie nicht aus dieser Zeit stammten. Er schlug stattdessen einen anderen Juli auf und überflog die saubere und leserliche Handschrift von Kristina Traneus. Als er nichts fand, blätterte er weiter zu den beiden anderen Sommern, die die Tagebücher umfassten, konnte jedoch auch dort kein Abenteuer entdecken.
    Nachdem Fredrik die Suche nach dem »Abenteuer« aufgegeben hatte, vertiefte er sich in die Aufzeichnungen der Ehefrau. Kristina Traneus hatte so gut wie täglich Tagebuch geschrieben. Detailliert, aber unpersönlich notierte sie alle möglichen Ereignisse. »War in Hemse und habe fürs Wochenende eingekauft. Ingrid getroffen. Sie fahren im Oktober eine Woche nach Paris. Überlege, ob ich an der Südseite Wein pflanzen soll.«
    Nach einer Weile wurde Fredrik klar, dass sie praktisch nie etwas über sich selbst verriet. Ihre Aufzählung der alltäglichen Geschehnisse klang so neutral wie das Protokoll einer Vorstandssitzung. Die kleine Abschweifung über den Wunsch, Wein zu pflanzen, wirkte verglichen mit dem Rest nahezu gewagt.
    Ließen sich aus dem, was zu fehlen schien, Schlussfolgerungen ziehen? Dienten Tagebücher nicht als Ventil für Gefühle, Überlegungen und möglicherweise auch Geheimnisse? Fredrik hatte zwar nie selbst Tagebuch geschrieben, aber er war trotzdem dieser Auffassung. War dies das Tagebuch einer Frau, die von ihrem Mann überwacht wurde, die daran gewöhnt war, dass sich an jeder unüberlegten Bemerkung Streit und der Zorn ihres Mannes entzünden konnten? Oder, um es noch deutlicher auszudrücken: ein unbedachtes Wort, und sie riskierte eine gebrochene Rippe?
    Nicht einmal ihrem Tagebuch durfte sie ihre Gedanken anvertrauen und schrieb lediglich nüchterne Berichte. Vielleicht eine Gedankenstütze, mit deren Hilfe sie anderes aus ihrem Gedächtnis hervorlocken konnte, was sie für sich behalten musste.
    Es war eine Art Gefangenschaft, dachte er, diese Frau war in sich selbst eingesperrt gewesen. Am Ende hatte sie jemanden gefunden, mit dem sie sprechen, dem sie sich anvertrauen konnte. Mit dem Ergebnis, dass sie jetzt tot war.
    Er las weiter in den Aufzeichnungen von vor drei Jahren, es waren die aktuellsten Eintragungen, die er mitgenommen hatte. Am dreißigsten August hatte sie geschrieben: »Habe Blumen auf Stefanias Grab gepflanzt. Heute sind es auf den Tag sieben Jahre.« Mehr nicht.

Freitag, 3. November,
Karolinska-Krankenhaus, Solna
     
    Jetzt war alles deutlich. Fredrik war da, sah das Zimmer und Sara in dem hässlichen ergonomisch geformten Sessel. Er hörte alles, was sie sagte. Er wusste, wer sie war, erkannte sie wieder, so wie er die Kinder, Ninni und die von ihr mitgebrachten gemeinsamen Freunde erkannt hatte, die peinlich berührt gewesen waren und nicht gewusst hatten, wo sie hingucken sollten.
    Doch das, was Sara ihm von den Ermittlungen erzählte, von dem Fall, an dem sie angeblich gearbeitet hatten, klang völlig fremd in seinen Ohren. Es hätte erfunden oder der Fall eines Kollegen sein können. Sara behauptete, sie hätten das alles gemeinsam erlebt … aber Fredrik konnte sich an nichts erinnern.
    Fredrik wollte, dass Sara schneller erzählte und sich auf die Stellen beschränkte, die ihn betrafen, aber alles andere übersprang. Er ahnte, dass irgendwo in ihrem Bericht die Erklärung dafür zu finden sein musste, warum er hier lag. Er nahm nicht an, dass sie hier sitzen und ihm von vorne bis hinten diesen Fall vorkauen würde, wenn es nicht am Ende zu dem Ereignis führen würde, das sein Gedächtnis ausgelöscht hatte.
    Er wollte sie bitten, zum Punkt zu kommen, aber er konnte nicht. Die Worte, die er mühsam stammelte,

Weitere Kostenlose Bücher