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Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
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Sommer. Aber das stimmte vielleicht gar nicht. Möglicherweise hatte er keine Sommererinnerungen. Doch, auf dem Weg zur Insel, neben Mama im Boot. Stefania sonnte sich die ganze Zeit, wenn sie segelten. Sie musste braun gewesen sein, und doch sah er es nicht vor sich.
    Aber er erinnerte sich an das Schulbuch und das Blatt mit den Vokabeln und hörte noch, wie sie nach Papa rief und dabei durchs Wohnzimmer hüpfte. Mit ausgestrecktem Arm hielt sie ihm das Buch hin, fordernd und bittend zugleich. Dann kletterten die langen blassen Beine auf seinen Schoß. Und Papa legte die Arme um sie und das Buch und erklärte ihr das Problem. Seine tiefe Stimme lotste sie zur Lösung. Rings um sie knisterte und leuchtete es, sie war so unvorstellbar lebendig. Ihre vollen Lippen strahlten, ihre Blicke gingen einem durch und durch, und ihre Worte, die vielen Spiele, Ideen und Pläne verdrehten einem komplett den Kopf. Oder kam es ihm so vor, weil sie sich später so verändert hatte? Erschien ihm seine richtige Schwester deshalb so besonders, wie jemand, der in einer eigenen Welt lebte, wo die Naturgesetze keine absolute Gültigkeit hatten?
    Er hatte zwei Bilder von Stefania, ein warmes, lebendiges Traumbild und ein graues, lautloses Spukbild. Aber keines von beiden hatte mit dem zu tun, was Elin da erzählte. Wenn man lange genug in verschiedenen Psychotheorien wühlte, konnte man sich mit Sicherheit zusammenreimen, dass sie in gewisser Hinsicht mit Papa geflirtet hatte und er sich in gewisser Hinsicht auch hatte bezirzen lassen. Vielleicht musste man auch gar nicht lange suchen, wahrscheinlich war es sogar die übliche Deutung. Stefania war die beste Schwester auf der Welt gewesen, und dann war sie krank geworden. Das Leben war nicht gerecht.
    Er hatte sie im Keller kotzen hören, und ein einziges Mal hatte er ihr auch dabei zugesehen. Sie hatte einen Finger in das Erbrochene gesteckt und abgeleckt. Bei dem Anblick hätte er sich beinahe selbst übergeben müssen. Erst jetzt begriff er, warum sie ihre eigene Kotze gegessen hatte. Sie wollte immer weiterkotzen.

39
     
    Als Fredrik an Väte vorbeifuhr, fing es leicht zu regnen an, aber als er bei der Dienststelle ankam, riss der Himmel schon wieder auf. Der Asphalt war kaum nass geworden.
    In seinem Büro griff er sofort zum Telefon, um Eva anzurufen und ihr die Sache mit dem Rasenmähermesser zu erzählen, aber als er den Finger auf die erste Taste gelegt hatte, kamen ihm Zweifel.
    War es wirklich so schlimm? Würde jeder Kontakt mit ihr jetzt vollkommen unmöglich sein?
    Er löste das Problem, indem er ihr eine SMS schickte und die Gelegenheit nutzte, auch gleich nach den restlichen Tagebüchern von Kristina Traneus zu fragen. Die Antwort kam prompt.
    Das Rasenmähermesser war noch da. Ich hab das Ding selbst umgedreht. Da war nichts locker, aber ich kann noch mal gucken. Was man nicht sucht, entgeht einem leicht.
    Von den Tagebüchern habe ich keine Ahnung. Du musst rumfragen.
    /e
    Er starrte das Kürzel an. Was wollte sie damit sagen?
    Nachdem er die Büros abgeklappert und einige Telefonate geführt hatte, wusste er, dass Lennart die Tagebücher haben musste. Er überlegte, ob er sie mit dem Auto holen sollte, Lennart wohnte nur eine Viertelstunde von der Dienststelle entfernt, aber dann entschied er sich, stattdessen anzurufen.
    Es klingelte siebenmal, bis Lennart ans Telefon ging. Fredrik stellte sich vor, wie sich sein Kollege mühsam vom Fußboden aufrappelte, wo er wegen seines Rückens gelegen hatte. In dieser Stellung hatte Fredriks Vater mehrere Sommer verbracht, nachdem er, wie jedes Jahr, auf dem Sommergrundstück viel zu schwere Steine gewuchtet hatte.
    »Wie geht es dir?« Fredrik zerrte an der Telefonschnur, die sich mehrfach verknotet hatte.
    »Es geht bergauf.« Lennart räusperte sich.
    Er klang heiser.
    »Es ist nur so langweilig zu Hause. Du hörst es ja selbst, man verliert die Stimme, wenn man niemanden zum Reden hat.«
    »Du solltest dir in der Bücherei in Roma einen Sprachkurs auf CD ausleihen.« Fredrik setzte sich, er hatte immer noch mit dem Telefonkabel zu kämpfen.
    Er schnappte sich einen Stift und kritzelte »Telefonkabel« auf einen kleinen gelben Klebezettel, wusste aber gleichzeitig, dass er nichts unternehmen würde. Nicht, solange sie in einem Mordfall ermittelten.
    »Was hältst du von Japanisch?«, erwiderte Lennart. »Ella und ich wollen im Februar zwei Wochen nach Japan. Tokio, Kioto und Hiroshima.«
    Fredrik überkam eine Welle von Neid.

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