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Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
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was sie ihm hier erzählt hatte, hätte sie unter normalen Umständen nie preisgegeben. Vielleicht hatte er es auch gar nicht hören wollen. Sie spürte, wie sie rot wurde.
    »Ich lass euch jetzt lieber in Frieden«, sagte sie.
    Ninni hatte anscheinend nichts dagegen einzuwenden.
    »Bis dann«, rief sie ihr hinterher, als Sara aus dem Zimmer verschwand.
    Fredriks Zustand hatte sich mit jedem Tag ein kleines bisschen gebessert, immer mehr Worte, immer mehr verständliche Worte und häufigere Blicke. Es ging ihm besser, aber noch lange nicht gut. Bis dahin schien es noch ein langer Weg zu sein.
    Sara wusste nicht, was man hoffen durfte. Die Ärzte sagten immer noch, es sei durchaus möglich, dass er vollständig oder im Großen und Ganzen wieder der Alte würde. Das stimmte natürlich optimistisch, aber andererseits musste sie sich zwingen, nicht an das zu denken, was sich hinter diesem im Großen und Ganzen verbarg.
    Mit schnellen Schritten ging sie durch den Flur, blieb aber hinter dem Schwesternzimmer stehen. Sie überlegte einen Moment, doch dann gab sie sich einen Ruck, ging zurück und streckte den Kopf durch die offene Tür. Eine Krankenschwester mit grauen Locken räumte gerade einen Medikamentenschrank um.
    »Hallo, mein Name ist Sara Oskarsson, ich bin die Kollegin von Fredrik Broman.«
    Die Schwester setzte eine Brille mit lilafarbenem Gestell auf, die ihr an einer Schnur vor der Brust gebaumelt hatte.
    »Hallo. Sie sind doch diejenige, die ihn immer besucht.«
    Sara lächelte.
    »Ja, aber das war das letzte Mal. Ich fahre morgen zurück nach Visby.«
    »Ah ja.« Die Schwester trommelte mit den Fingern auf den Medizinschrank.
    »Ich habe eine Frage.«
    »Ja, bitte.«
    »Es scheint ja so, als wäre sein Gedächtnis zurückgekehrt, als könnte er sich immer besser erinnern, oder vielleicht hat sein Gedächtnis die ganze Zeit funktioniert, und nur die Sprache kommt jetzt zurück oder …«
    Sara hielt inne. Sie brachte alles durcheinander. Die Schwester schob sich die Brille hoch und wartete.
    »Also eigentlich wollte ich fragen, ob Sie glauben, dass er sich an die Zeit hier im Krankenhaus erinnern kann. Ich meine, hat er überhaupt gehört, was ich ihm alles erzählt habe, und wenn ja, kann er sich daran erinnern?«
    Die Krankenschwester runzelte die Stirn.
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen, aber es ist durchaus möglich. Sie werden ihn wohl selbst fragen müssen, wenn es ihm besser geht.«

48
     
    Er war allein im Dunkeln. Er spürte die Kälte und die Feuchtigkeit an seinem Gesicht und die harten Steine im Rücken. Gekrümmt kauerte er an der Wand. Kein Licht, gar nichts, nur der Wind und der Regen, der gegen Dach und Mauerwerk peitschte.
    Wenn der Schlafsack, in den er gekrochen war, nicht gegen die Feuchtigkeit und die Kälte half, würde er es hier nicht lange aushalten. Er lehnte den Kopf an die rauen Steine und schloss die Augen. Es war egal, ob seine Augen offen oder geschlossen waren. Er sah sowieso nichts. Wenn er die Augen aufmachte, war alles schwarz. Er schloss sie wieder und versuchte, den Blick nach innen zu wenden, nahm bewusst wahr, wie sein Brustkorb sich hob und senkte. Nur an die eigene Atmung denken, an sonst gar nichts.
    Genau in dem Augenblick, als er eine Art Erleichterung verspürte, überkam ihn das deutliche Gefühl, dass sich jemand über ihn beugte. Er riss die Augen auf und sah noch weniger. Die Dunkelheit wurde nur schwärzer und dichter, die Gestalt in seinem Kopf jedoch immer präsenter. Er sah etwas Schwarzes in der Schwärze. Das Wesen hatte zwar kein Gesicht, aber er spürte trotzdem, wie ihn die Augen anstarrten, tränende, nein, blutende Augen. Eine zähe dunkelrote Flüssigkeit tropfte aus den leeren Augenhöhlen.
    Wahnsinn, Unsinn, Hirngespinste, sagte er sich und ließ die Hand durch die Dunkelheit schweifen, um sich zu beweisen, dass da nichts war. Natürlich nicht. Trotzdem verharrte die Gestalt auf derselben Stelle, wie ein Bild, das sich in die Netzhaut eingebrannt hatte. Ein undeutliches, rasselndes Geräusch auf dem Fußboden, und plötzlich war das dunkle Wesen verschwunden, hatte aber damit nur Platz für ein anderes gemacht. Und das war kein Hirngespinst, nun war da wirklich etwas im Dunkeln, das sich zischend über den sandigen Steinboden bewegte. Eine Schlange. Er hörte sie deutlich. Er war allein im Raum mit der Schlange, diesem geschuppten Reptil mit dem gezackten Muster auf dem Rücken, das sich mit seiner spielerisch tänzelnden Zunge sicher den Weg zu

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