Gotland: Kriminalroman (German Edition)
ersten, als er einen Mann erblickte, der sich von rechts auf dem asphaltierten Fußweg näherte, der die Treppe zwischen dem unteren und dem mittleren Abschnitt kreuzte. Obwohl Christer ihn nur von der Seite sah und das Gesicht teilweise von einer grauen Haube verdeckt wurde, war er sich sofort sicher. Vor vier Jahren hatte er einige lange und kalte Nächte damit verbracht, Leo Ringvall zu beschatten. Es war nichts dabei herausgekommen, aber dieses Gesicht würde er nie vergessen. Und heute Morgen hatte ihn der Fahndungsaufruf wieder daran erinnert.
Der Wind wehte Christer Eriksson sein kurzes, aber feines Haar ins Gesicht. Während er es zurückstrich, sah er noch einmal genau hin. Er war ganz sicher. Das war Leo Ringvall, der dreifache Mörder von Gotland.
Ringvall bog vom Fußweg ab und ging die Treppe hoch. Christer Eriksson, der aufgrund seines internen Kürzels von den Kollegen Che genannt wurde, beschloss, den Mann festzunehmen. Die Alternative wäre, ihm zu folgen und Verstärkung anzufordern, aber er schätzte, dass eine Festnahme ungefährlich für sich und andere war. Falls er Ringvall einholte, solange der sich mit freien und gut sichtbaren Händen auf der Treppe befand, würde er es tun.
Er beschleunigte seinen Schritt, ließ den Regenmantel los und heftete den Blick auf Ringvalls Taille. Sein Spitzname Che gefiel ihm nicht, zumal seine politische Einstellung nie besonders links gewesen war, aber er machte kein großes Aufheben um dieses Kürzel. Wer sich gegen einen Spitznamen auflehnte, konnte sicher sein, dass dieser für immer an ihm klebte. Manche nannten ihn sogar den Kommunisten, aber über diese Knallköpfe regte er sich nicht auf. Es waren diejenigen, die es total bekloppt fanden, wenn man einen Samstagvormittag im Bereitschaftsdienst damit verbrachte, einer Vorortschießerei nachzugehen, anstatt in aller Ruhe in der Cafeteria zu hocken. »Grüß die Kubaner von uns«, hatten sie ihm hinterhergerufen. Sie würden Augen machen, wenn er mit einem dreifachen Mörder zurück in die Stadt kam.
Als Leo Ringvall das Ende des mittleren Treppenabschnitts erreicht hatte, überprüfte Christer Eriksson, ob niemand hinter ihm war, zog seine Dienstwaffe, entsicherte sie und richtete sie mit einer schnellen, aber kontrollierten Handbewegung auf Ringvalls Rücken.
»Stehen bleiben, Polizei!«, brüllte er. »Hände über den Kopf!«
Ringvall blieb stehen, ließ aber die Arme hängen.
»Hände über den Kopf«, wiederholte Christer Eriksson.
Ringvall warf einen Blick über die Schulter, erblickte Christer Erikssons auf ihn gerichtete Waffe und nahm langsam die Hände hoch.
»Stehen bleiben, Augen geradeaus, Hände über den Kopf«, befahl Christer Eriksson, während er langsam die Treppe hinaufstieg.
»Immer mit der Ruhe«, murmelte Ringvall.
Christer Eriksson zielte die ganze Zeit direkt auf Ringvalls Rücken. Der als Mörder Verdächtigte nahm sich Zeit, um die Hände in die Höhe zu strecken. Christer Eriksson hatte nicht vor, Fehler zu begehen. Falls Ringvall irgendwelche Scherereien machte, würde er, ohne zu zögern, schießen.
»Hände auf den Kopf«, brüllte er, als Ringvall die Arme endlich oben hatte.
Er näherte sich und hatte ebenfalls gleich den Treppenabsatz erreicht, als er ganz oben zwei Jugendliche entdeckte.
»Polizei, sofort abhauen«, brüllte er ihnen zu. Ringvall blickte sich fragend um.
»Du doch nicht!«
Christer Eriksson befahl ihm, auf dem Rasen neben den Treppenstufen auf die Knie zu gehen. Instinktiv streckte Ringvall eine Hand nach unten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, doch Christer Eriksson brüllte sofort, er solle beide Hände hinter dem Kopf lassen.
Es war nicht schwer, Ringvall ins Gras zu stoßen. Christer Eriksson holte die Handschellen hervor, ging in die Hocke und drückte ein Knie in Ringvalls Rücken. Laut Fahndung galt Leo Ringvall als gefährlich, und dies war ein kritischer Moment. Als er die Hand nach Ringvalls Arm ausstreckte, zitterte sie ein kleines bisschen. Er umschloss das linke Handgelenk mit der Handschelle und zog es auf den Rücken, dann griff er nach dem rechten Handgelenk. Er hätte seine Pistole in den Gurt stecken sollen, aber seine Hände zitterten nun richtig, und Adrenalin ließ das Blut in seinen Adern pochen. Er wollte weder mit einem Teppichmesser noch mit einer Rasierklinge übermannt werden, nein, kein Risiko eingehen. Der Mann unter ihm hatte nicht nur drei Menschen auf dem Gewissen, er hatte eines seiner Opfer sogar
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