Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming
was sonst noch alles, Reverend. In dieser Bar, in die sie mit all den jungen Leuten geht ...«, knistert die Stimme einer Hausfrau über UKW.
»Sünder«, erwidert der Reverend nur.
»Großer Gott, das weiß ich, Reverend.«
»Lesen Sie Ihrer Tochter aus der Heiligen Schrift vor, Ma’am?«
»Ich ... sie ist siebzehn. Sie will nicht auf mich ... «
»Hören Sie mir zu... Ihre Tochter wird für alle Zeit der Sünde anheimfallen«, donnert Willie, »wenn sie nicht sofort bereut! In der Bibel steht geschrieben ...«
Pastor Glass lächelt, als er hört, wie sein Vetter die Frau zusammenstaucht. Es scheint ihm eine gute Vorbereitung auf das zu sein, was er gleich vor sich hat, als er nun von der 184 rechts auf eine von Bäumen gesäumte, schmale Asphaltstraße abbiegt, die südwestwärts am Berg hinabführt. Er klappt die Sonnenblende runter, gegen die Morgensonne, die ihn durch die Bäume blendet.
»Es tut mir leid, ich bin schwach. Ich habe versagt«, schluchzt die Frau.
Schwäche. Überall. Wie dieser alte Narr von einem Sheriff. Lächelt und nickt und kaut seinen beschissenen Streuselkuchen und sagt ihm- ihm, Pastor Charles Glass! - im Grunde, dass er sich verpissen soll. Nun, das werden wir noch sehen, denkt er, biegt links ab auf den Kiesweg, vorbei an dem alten Schild mit der Aufschrift PRIVATSTRASSE, das da steht, seit die Hausmans hier wohnten. Darunter hatte idiotischerweise jemand schwungvoll mit weißer Farbe JEDER IST WILLKOMMEN! gepinselt. Er bremst und weicht zwei Fußgängern aus, die Hand in Hand am Straßenrand laufen und ihm den Rücken zuwenden. Ein Junge und ein Mädchen mit abgeschnittenen Jeans-Hotpants, und zwar dermaßen abgeschnitten, dass er den weißen Hintern sehen kann, wo die braungebrannten Beine enden, direkt unter dem ausgefransten Stoff.
Der Pastor wirft einen Blick in den Rückspiegel, um die Kleine von vorn zu betrachten. Genau wie er es sich gedacht hat: Ihre Brüste wippen in dem knappen Leibchen, dessen tiefer V-förmiger Ausschnitt ihr braungebranntes Dekolleté entblößt. Der Junge lacht über irgendetwas, das sie gesagt hat. Und bald, sehr bald schon werden sich die beiden auf einer schmuddeligen Matratze umschlingen, sie auf ihm, sich windend, oder er hinter ihr, ihr Gesicht fest in die Matratze
gepresst, und der Pastor stellt sich vor, er sei anstelle dieses Jungen ...
Er schüttelt heftig den Kopf, als wollte er einen bösen Traum loswerden, und gibt Gas, so dass das Pärchen im Rückspiegel immer kleiner wird. Er spricht laut vor sich hin, übertönt das Radio: »Bewahre mich, Vater! Beschütze mich vor der Macht des Teufels!« Und die Worte scheinen zu helfen, denn sein Kopf wird wieder klar. Das kranke Pochen in seinem Unterleib lässt nach, als er ein Stück voraus das Holztor mitten auf der Straße sieht, davor hält und die Taste an der Gegensprechanlage drückt.
»Ich weiß nicht genau, wo er ist, Herr Pfarrer«, erklärt ihm Pete bald darauf oben im Farmhaus.
»Pastor.«
»Oh. Verzeihung, Pastor. Ich glaube, er war oben auf dem Feld. Wollen Sie irgendwas Bestimmtes? Ihre Brille finde ich übrigens wahnsinnig toll. Todschick.«
»Nur ein kleiner Nachbarschaftsbesuch.« Er schenkt dem dürren, affektierten jungen Mann im lila Hemdchen ein steifes Lächeln.
»Nun, dann sollte ich vielleicht mal losgehen und ihn suchen, hm? Nehmen Sie doch so lange hier auf der Veranda Platz. Irgendwie vermisse ich Sie jetzt schon ...«, flötet Pete und trabt um die Ecke.
»Guten Morgen«, sagt der Pastor und setzt sich auf die Veranda zu einem monströs großen Kerl in einem schmutzigen Army-Parka, der dort hockt und Erbsen in ein großes Sieb schält. Musik - Rockmusik - und Essensdüfte wehen aus der Küche hinter ihm.
»Freck«, zuckt Bob. »Freck«, er deutet in den Sonnenschein.
Ein Homo und ein Idiot, denkt der Pastor, erwidert Bobs Lächeln und entfernt einen Fussel von seiner Hose.
»Hey da draußen«, ruft eine weibliche Stimme aus der Küche, »wie geht’s mit den Erbsen voran?« Die Stimme wird
lauter, und dann erscheint das Weib in der Tür. Sie ist über vierzig und in seinen Augen bedrückend unattraktiv: plump und dick, mit raspelkurzen Haaren, in Jeans und schweren Motorradstiefeln. Der Einfaltspinsel hält ihr das Sieb hin. »Danke, Bob«, sagt sie und erblickt den Pastor, als sie sich umdreht, um ins Haus zurückzugehen.
»Oh, hi, Pfarrer«, sagt Julia. Er überhört es. »Sind Sie ... kümmert man sich um Sie?«
»Das tut man allerdings«,
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