Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming
Korrekturen am APS-Bühnenbild vorgenommen. Tischler hämmern, Elektriker löten, Produktionsleiter und Ressortchefs schreien einander wegen Deadlines, Budgetüberziehungen und Ähnlichem an. Außerdem ist es brüllend heiß, da die gewaltigen Scheinwerferbatterien unter der Decke gerade auf Herz und Nieren gecheckt werden, während die schweren Kameras lautlos vor-und zurückgleitend über die leere Bühne schwenken und zoomen.
Gelassen schreitet Steven Stelfox durch das Chaos. In respektvoller Distanz folgt ihm seine Entourage: Naomi, seine Assistentin, Harry, der Regisseur der Show, Sherry, die Redakteurin, und zuletzt Trellick, das Handy am Ohr. Jetzt, in der dritten Staffel — die die Krönung der bisherigen Show werden soll -, ist das in Anwesenheit von Mr. Stelfox zu befolgende Hofprotokoll längst allen Beteiligten in Fleisch und Blut übergegangen. Häupter senken sich demütig, wenn er vorüberschreitet. Zwar ist nichts davon schriftlich niedergelegt, aber das Wesentliche ist allen bekannt: Blickkontakt ist niemandem gestattet, und Gott gnade allen unter dem Rang eines Abteilungsleiters, die es wagen sollten, an Stelfox heranzutreten
und ein Gespräch mit ihm anzufangen. So wie es der lichtsetzende Kameramann der letzten Staffel getan hat, der den Fehler beging, auf dem Weg von der Garderobe zum Studio mit dem Boss schrittzuhalten und ihm bei dieser Gelegenheit darzulegen, welche Kameraeinstellung die Reaktion des Jurors auf die Performance der Teilnehmer noch besser zur Geltung bringen würde. Dies sollte sein letzter kreativer Beitrag zu APS gewesen sein. Er wurde am nächsten Tag gefeuert.
Niemand legt sich mit dem Chef an.
Erfinder, Vordenker und Galionsfigur der größten amerikanischen TV-Show zu sein, hat viele Vorteile. Einer der angenehmsten Aspekte ist jedoch, dass Stelfox nichts tun muss, was er nicht tun möchte. Wozu definitiv der Umgang mit den technischen Mitarbeitern gehört.
Niemand. Legt. Sich. Mit. Dem. Chef. An. Punkt.
»Ist das alles?«, fragt Stelfox, eindeutig verärgert. Sie stehen jetzt vor dem langen Pult, hinter dem die drei Juroren während der Aufzeichnung sitzen.
»Wie meinst du das?«, erwidert Sherry, die Redakteurin, allzeit nervös.
»Ich meine, Sherry, wie viele Logos siehst du hier?«
Sherry unterzieht das Pult einer sorgfältigen Inspektion. Da sind die Wassergläser der Juroren, neuerdings mit dem eisblauen Signet von Vibe Cola versehen. Da ist die obere Frontverkleidung, die auf ganzer Länge der Schriftzug AMERICAN-PACIFIC AIRLINES ziert. Da sind die Laptops der Juroren, alle in einem exakt bemessenen Winkel aufgeklappt, der sicherstellt, dass das Herstellerlogo sich den Kameras in der idealen Position präsentiert. »Äh, drei?«, sagt sie schließlich und sieht ihn dabei wie eine vor versammelter Klasse aufgerufene, völlig verunsicherte Schülerin an, die innerlich Stoßgebete zum Himmel schickt, ihre Antwort möge die richtige sein.
»Gut beobachtet, meine Liebe«, sagt Stelfox. »Nun, wie viele offizielle Sponsoren hat denn die Show?«
»Äh ... ähm ...« Sie blättert durch die Unterlagen auf ihrem Klemmbrett.
»Vierzehn«, antwortet Trellick, wie aus der Pistole geschossen, irgendwo hinter ihr.
»Vielen Dank, James«, sagt Stelfox. »Und warum sehe ich nur drei Logos im Bild?«
»Aber ...« Hilfesuchend blickt sie zu Harry, dem Regisseur. »Ich wüsste nicht, wo wir sonst noch ...«
»Wie wär’s damit?« Er zeigt auf einen Abschnitt der Studiowand, hinter dem Pult und rechts davon. »Hier könnten wir doch wohl ein beschissenes Auto oder einen Hamburger oder was weiß ich was hinpappen, oder etwa nicht? Das Motiv wäre zwar nicht durchgehend im Bild, aber immerhin. Und wie sieht’s mit der Rückseite der Stuhllehnen aus. Wir wirbeln ziemlich viel rum. Oder ...«
»Findest du nicht«, sagt Harry, »das könnte womöglich etwas, äh, billig aussehen?«
Stelfox wendet sich dem Regisseur zu. »Billig?«, fragt er.
»Na ja, wenn wir jedes freie Plätzchen für Product Placement nutzen ...«
» Product Integration«, korrigiert ihn Trellick.
»Entschuldigt, Product Integration. Ich meine, wenn wir den Bildschirm so überfrachten, würde das nicht ...«
»Den Bildschirm überfrachten?«, sagt Stelfox. »Leck mich. Jetzt hör mal zu, Orson. Selbst wenn du das beschissene Pult vor lauter Scheiße, die wir verdealen, nicht mehr sehen kannst, geht mir das am Arsch vorbei. Wenn es auch nur einen einzigen Cent mehr bringt, wo ist dann das
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