Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming
Boden. Eine gottverdammte Schande, dachte Jesus, ausgerechnet diese Rock ’n’-Roll-Metropole: MC5, Stooges, White Stripes. Und dazu noch ein Haufen amtliches Techno-Zeug.
»Tja, Becky kümmert sich drum. Aber es wäre wohl besser, du kommst trotzdem mal rüber. Sie wollen mit dir reden. Mr. Detroit hat Waffen und so was dabei.«
»Oh Mann, nicht schon wieder.«
Es war schon öfter mal vorgekommen, dass Leute hier leben wollten, in Harmonie und Frieden, aber mit einer beschissenen Magnum unterm Kopfkissen. So sind sie, die Amerikaner ... nackt ohne ihre Wumme.
»Hey, JC!«
»Leute!«
»Spielst du nachher ’ne Runde Touch-Football mit?«
Er lächelt, winkt und klatscht den einen oder anderen ab, als er Kris über den staubigen Hof voller tobender Kids folgt. Samstagmorgen. Mann, jeder Tag kam ihm vor wie Samstagmorgen, und jeder Abend kam ihm vor wie Freitagabend. Das Scheppern einer Snaredrum weht herüber: Morgan, der unten im Studio, das sie sich gerade einrichten, am Drumkit herumfummelt, ist noch nicht zufrieden mit dem Sound. Beim Kauf der Instrumente hatten sie nicht allzu sehr über die Stränge geschlagen - Kris bekam einen neuen Fender Precision Bass, und Jesus gönnte sich eine wunderschöne, cremefarbene Les Paul Junior von 1960 mit Double Cutaway ä la Johnny Thunders. Sie arbeiteten hart an den Demos für JCs Album. Ganz ohne Differenzen und Druck von außen ging es natürlich nicht ab. Seit einem halben Jahr stritten sich Stelfox und JC über die zwei vertraglich vereinbarten Coverversionen. Im Juli war Stelfox per Hubschrauber eingeflogen, um sich ein Bild vom Stand der Dinge zu machen, und hatte ihnen im Grunde nur gesagt, sie sollten den Gesang
lauter drehen, sämtliche Gitarrensoli rausschneiden und schneller zum Refrain kommen. Dann war er auf direktem Weg wieder losgehubschraubert, wenn auch nicht ohne die beiläufige Frage, wieso JC eigentlich auf einer Hippie-Müllhalde lebe, wenn er doch Millionen auf dem Konto habe.
»Hey Becks«, sagt Jesus, als er das Haupttor erreicht und sich umblickt: Becky sieht gut aus in ihren abgeschnittenen, knappen Jeans und der olivgrünen Tarnweste. Den Rücken zu ihm gewandt und die Arme verschränkt (schlechtes Zeichen), unterhält sie sich mit einem kleinen Weißen mit Brille und Tigers-Baseballkappe. Mr. Detroit, vermutet Jesus. Seine Familie, eine noch kleinere Frau und zwei Kinder - Junge und Mädchen, um die zehn, elf - drängen sich hinter ihm, und das kleine Mädchen quiekt vor Freude, als Jesus erscheint. »Er sieht anders aus als im Fernsehen«, raunt sie ihrem Bruder zu. Die ganze Familie scheint sich aufzurichten, als Jesus naht, und lächelt ihn an. Fame, fame, fatal fame, schießt Jesus ein Song von The Smiths durch den Kopf. It can play hideous tricks on the brain.
»Hi Leute, wo ist das Problem?«
»Das Problem«, sagt Becky, »ist, dass Terence hier eine Waffe in seinem Gepäck hat.«
»Gib sie ihnen einfach«, zischt die Frau.
»Tut mir leid, mein Freund, keine Waffen«, sagt Jesus.
»Aber eben habe ich da drüben jemanden mit einem Gewehr gesehen.«
»Ja, wir haben hier Gewehre für die Jagd«, fährt Jesus fort. »Die du gern benutzen darfst, falls du jagen möchtest. Persönliche Schusswaffen sind hier allerdings nicht erlaubt.«
»Ich ... aber die war teuer. Was passiert damit?«
»Ich habe es dir doch schon gesagt ...«, hebt Becky an, mittlerweile kurz vorm Kochen.
»Schon okay, Becks«, sagt JC und legt ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich mach das schon.« Dann wendet er sich wieder
dem Mann zu. »Wir werden sie sicher deponieren, und falls ihr irgendwann abreisen wollt, kriegst du sie wieder.«
»Wir sollten sie alle in den verdammten See werfen«, sagt Becky.
»Bekomme ich eine Quittung?«, fragt der Typ.
»So läuft das hier eigentlich nicht ...«, lacht Jesus.
»Terence«, zischt die Frau.
»Okay, okay ...« Er langt in seinen Rucksack und holt einen hässlichen, schwarzen Revolver hervor. »Ich wollte keine Schwierigkeiten machen. Ich wusste nur nicht, was uns hier erwartet.«
Kris nimmt die Waffe, als Jesus die Familie durchs Tor schiebt. »Du hast uns keine Schwierigkeiten gemacht, Terence. Kommt rein. Hi Kids, Ma’am. Ich bin Jesus. Die meisten nennen mich JC.«
»Oh, wir wissen, wer du bist!«, lacht die Frau mädchenhaft, verzückt. »Ich bin Teresa Brokaw. Das sind Sean und Clare.«
»Du hast diesem Stelfox echt die Meinung gegeigt«, sagt die kleine Clare.
»Ach, der ist gar nicht so schlimm.«
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