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Gott Braucht Dich Nicht

Gott Braucht Dich Nicht

Titel: Gott Braucht Dich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Maria Magnis
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Flasche gegen den Widerstand, blieb aber heil, und der hohe Ton verklang kitzelnd in meinen Ohren, dann war es still. Der Wald schwieg. Ich ging um den Kasten herum, und ein paar Meter weiter stieg ich links ins Dickicht. Trank. Irgendwo da war ein Trampelpfad.
    Ich weiß noch, wie der Mond verschwommen hinter den schwarzen Ästen immer wieder auftauchte, wenn ich stolpernd hochschaute. Der Blickwinkel, den man bekommt, wenn man trinkt, ist so schmal. Und daran erinnere ich mich, dass ich dachte, ich könnte diese schwarzen Vorhänge um die Augen, die den Blick nach rechts und links, oben und unten schon so verdeckten, weiter zuziehen mit jedem Schluck.
    Flopp, machte die Flasche, wenn ich sie vom Mund absetzte, ansonsten war da Stille. Kein Tier schreckte, kein Vogel, der aufmuckte, kein Kauz, nicht einmal das Geräusch eines Autos aus der Stadt, deren Lichter man am Waldeingang noch hatte sehen können, war zu hören.
    Flopp.
    Ging ich auf dem Pfad?
    Bärlauchblätter verklebten an meinen Schuhen und rissen ab. Die Stämme der Bäume versteckten sich im Dunkel, nur wenn man ihnen zu nahe kam, dann bauten sie sich stolz und starr vor einem auf. Ich blieb stehen, hielt mich an einem Ast fest und suchte mit den Füßen festen Boden.
    Sah mich um. Dunkler Himmel, kniff die Augen zusammen, schwarzes Gesträuch. Ich horchte in die Nacht. Tat einen Schritt. Ein Knacken. Wieder Stille. Und dann kam es.
    «Frei.»
    Mein Kopf war benebelt, aber in den dicken Wolken darin stimmte ich zu. Ich wankte, trank einen Schluck, hielt wieder inne. «Frei», flüsterte es, und ich nickte, wie Betrunkene nicken, nicht staunend sacht, sondern mein Nacken hielt den Kopf nicht, und es sackte das Kinn nach vorne, Augen geschlossen, «Ja», und mit einem Ruck ward der Kopf wieder nach oben gezogen und suchte da oben sachte wankend seine alte Position. Und ob es davor war, währenddessen, das weiß ich alles nicht mehr, aber ich weiß genau, dass ich etwas wie Erlösung empfand. Etwas wurde auf wunderschöne Weise egal. Ich torkelte weiter, einmal fiel ich hin auf die Knie und spürte, wie die Feuchtigkeit aus dem matschigen Laub von meiner Hose aufgesaugt wurde und sich wie ein nasser Kuss von einer großen, weichen, kalten Schnauze auf meine Kniescheiben drückte. An meinen Händen klebte faules Laub. Egal. Ich musste lachen. Stand wieder auf. Zwei Schritte, und immer noch breitete sich dieses erlöste Gefühl aus, wie diese Momente, wenn auf einmal alle Muskeln, die angespannt waren, loslassen.
    «Es endet jetzt.» Dieses innere Keifen, dieses Kämpfen gegen meine Dummheiten, es löste sich.
    Endlich dieses Streiten ums eigene Haupt aufgeben zu können, das war, als hörte das Ausatmen nicht auf, es strömte und strömte aus mir heraus. Erlöst von dem ganzen christlichen und humanistischen Schrott, der einen zwingt, das Leben ernst zu nehmen und die erfundenen Regeln einzuhalten. Erlöst von allem, was einem in der Schule beigebracht wird, worauf sich die Gesellschaft zum Teil geeinigt hat und was sie zum Teil befolgt, wenn sie weiß, dass sie bei Zuwiderhandlung bestraft wird. Worauf sich die Gesellschaft geeinigt hat, ohne zu wissen, warum überhaupt. Würdegelaber. Würde des Menschen. Dummes Zeug. Götterglaube ist das. Wo soll die Würde denn sein? Wo ist denn meine?
    Wir Menschen sind frei, weil wir nichts wiegen. Das wurde mir klar. Niemand kann mich zwingen, zu glauben, dass wir eine Würde haben. Sollen sie ihre Mythen den Kindern erzählen, ich glaube nicht an unseren Wert. Ich glaube nicht an den Wert dieser Welt. Sie wird vorbeigehen. Das sagen sie alle selbst.
    Aber es war egal, was sie sagten, denn diese Tatsache bekam mein Ja, nicht die Thesenaufsteller, und das «a» von diesem «Ja» endete nicht, und mein Mund blieb offen, und die Luft, die mich gesprengt hätte, strömte und strömte heraus, dass die Rippen ächzten, als sie sich entspannen durften und das Zwerchfell losließ, und die Beine nicht mehr schmerzten, und die Arme nicht mehr schwer waren, und die Kehle nichts mehr halten musste, und die Augen nicht mehr reißend schielten nach einer Antwort.
    Die Welt wird irgendwann nicht mehr sein. Dann gibt es kein Bewusstsein mehr. Dann wird im All Totenstille sein, und kein Auge wird suchen und kein Mensch mehr fragen nach einem Sinn. Dann kreisen Sterne still umeinander – kein Gedanke wird mehr gedacht, kein Staunen, keine Frage «Warum?» – Totenstille. Weil niemand da ist, der noch fragt.
    Dann heißt der

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