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Gott Braucht Dich Nicht

Gott Braucht Dich Nicht

Titel: Gott Braucht Dich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Maria Magnis
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Kosmos nicht mehr Kosmos, dann hat der Mond keinen Namen mehr. Dunkelheit ist nicht mehr Dunkelheit, wenn kein Auge auf das Licht wartet. Dann rasen wir jetzt gerade zu auf die Langeweile, ins Öde und Tote hinein.
    Die Erde mit dem Menschen – aufgeblüht wie ein Kaktus, der nur einmal blüht – fällt in sich zusammen – niemand wird darum wissen.
    Kein Auge hat es gesehen. Kein Gedanke wird siegen, Gut und Böse sind mit uns verschwunden, und dann ist das Universum erlöst vom Stöhnen der Menschen, vom Atmen und Keuchen. Vom Wimmern und Lachen. Vom Lärm, der hier war. Es wird Stille sein.
    Zum Menschen schweigt das Gas.
    Und aus dieser meinungslosen Stille, die nach der Welt kommen wird, empfing ich damals in der Nacht diese neue Form der Freiheit. Wer diese Todesstille in sich entdeckt, wer bemerkt, dass sie in einem selbst schon angebrochen ist, dessen Freiheit wird sich auf einmal entfalten – vom Jetzt bis eben zu jenem Tag, da der letzte Mensch gestorben ist, der letzte Geist erloschen. Noch weiter.
    Diese Freiheit jauchzt und wird abwischen alle Tränen, denn der Tod wird nicht mehr sein, nur Gestein und Gase, und manche Sonnen nehmen ihre Bahnen. Wer diese Stille entdeckt, der darf endlich wissen, dass man sich nicht mühen muss. Der lacht über den Tratsch im Dorf, der lacht über den Tratsch in den Städten, der lacht über den Tratsch der Welt. Der wird frei von Moden und Autoritäten, der hat echten Trost für die Leidenden. «Es geht vorbei. Alles geht vorbei.»
    Der schließt im Lärm der Gegenwart die Augen, und die Welt fällt von ihm ab. Dann stürzen die Supermärkte und brechen die Krankenhäuser, die Bomben fallen ins Bodenlose, und die Rufe der Freunde werden leiser, und Wünsche von Kindern und Gebete von Alten und Hass und Liebe stürzen gemeinsam, das Band zu den Geschwistern wird dünner, die Sorge ums Leben lässt los, und alles darf leiser und kleiner werden und weiter und weiter fallen tief hinunter, von da kein Geräusch hinaufkommen kann. Hinunter ins Egal. In die Todesstille, die einmal für die Erde kommen wird.
    Wer die Freiheit aus dieser Stille in sich entdeckt, der muss nicht mehr kämpfen, der muss nicht mehr lieben, dem zaubert das Nichts ein Lächeln aufs Antlitz. Dasselbe, das wir von den Leichen kennen. Erlöst vom Dasein. Dieses Lächeln kann man schon im Leben haben, wenn man nur die Hinweise sieht.
    Frei.
    Und so ließ ich die Dinge gehen und wurde immer leichter und lief immer schneller und seltsam glücklicher durch den Wald. Man muss der Liebe nicht das Genick brechen, damit sie zu krähen aufhört. Man kann sie ins Licht des Untergangs dieser Welt stellen, dann hört man sie nicht mehr, dann wird sie so leise wie das Murmeln von Generationen und verschwindet mit ihnen.
    Ich soff, und der Vorhang schloss sich enger um meine Augen, und ich hoffte, dass, wenn ich wieder nüchtern würde, ich mich dann an dieses Gefühl erinnern könnte. Dass es bliebe. Nein, ich kann es nicht richtig beschreiben. Es war mir eigentlich egal. Ich dachte, so wie jetzt ist es sowieso. Ob ich daran denke, ob ich mich erinnern kann, oder nicht. Ob ich’s glaube oder nicht. Es ist so. Ich bin frei.
    Ich zündete mir eine Zigarette an und exte den Rest vom Wodka. Warf die Flasche weg, hörte sie hinter mir auf dem Boden aufkommen, lief torkelnd weiter, bückte mich unter den Ästen, und dann merkte ich im Laufen durch den Wald: Papa. Ich verlangsamte den Schritt und bemerkte staunend: Mir ist Papas Sterben egal.
    Jetzt vor einem Jahr musste Mama an seinem Bett gesessen haben. Jetzt vor einem Jahr betete sie an seinem Bett.
    Es war mir egal. Und das war so erleichternd. O Gott, war das erleichternd. Scheiß der Hund drauf – es ist egal. Scheiß auf die Toten. Sollen sie alle gehen, dann sind die Dinge eben zu Ende.
    Ich seufzte froh. Als wäre der Hammer gefallen.
    «Endlich», stieß ich hervor, zog die kalte Luft in meine Lungen, schloss die Augen im dunklen Wald, atmete aus – «is’ mir egal.»
    Und war froh.
    «Is’ mir so egal.»
    Filmriss.

17
    Irgendwie war ich in der Nacht noch nach Hause gekommen. Ich wurde von Johannes morgens geweckt. Er war entsetzt, dass ich immer noch nicht aufgestanden war, als er in mein Zimmer kam. Er musste vorher schon mal drin gewesen sein. Ich stand auf. Hatte meine Klamotten vom Abend noch an. Blätter in den Haaren, meine Stiefel. Alles noch an mir. Ging runter. Mamas Blick: «Du hast in den Klamotten geschlafen. Herrgott, Esther», und

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