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Gott geweiht

Gott geweiht

Titel: Gott geweiht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.E. Lawrence
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Queens gefunden wurde.« Er wandte sich mit bedauernder Miene an Lee.
    »Es tut mir leid, dass ich dich so kurzerhand hierherbestellt habe. Kann gut sein, dass es keine Verbindung gibt, aber ich dachte halt –«
    »Schon in Ordnung«, beschwichtigte Lee. »Ich bin froh, dass du angerufen hast. Wo ist …« Sie? Es? Ihm wollte keines der beiden Worte über die Lippen kommen, und so ließ er seinen Satz unvollendet.
    »Elaine holt die – ähm, sterblichen Überreste – gerade aus der Leichenhalle.« Chuck schien es ebenfalls schwerzufallen, die richtigen Worte zu finden.
    Lee schluckte, sein Adamsapfel war wie verkeilt in seiner trockenen Kehle.
    Eine kleine blonde Frau mit einem verkniffenen Koboldgesicht kam den Flur hinunter. Sie schob eine Rollbahre vor sich her, und unter dem weißen Laken konnte man deutlich die Umrisse eines Skeletts ausmachen. Lee zwang sich, ganz konzentriert zu atmen, während die Frau die Bahre in den Obduktionssaal rollte. Die drei folgten ihr. Lee war nicht auf den Gestank vorbereitet, der ihnen entgegenschlug, als die Tür aufging. Dem schier übermächtigen Geruch von Desinfektionsmitteln sowie Formaldehyd und verschiedenen anderen Chemikalien zum Trotz war die Duftnote darunter unverkennbar, setzte sich mit Beharrlichkeit in seinen Nasenlöchern fest und weckte eine tiefe, instinktive Abscheu.
    Es war der Geruch des Todes.
    »Das hier ist Elaine Margolies«, stellte Chuck die blonde Frau vor. »Sie ist die stellvertretende Leiterin der Gerichtsmedizin.«
    Elaine Margolies gab sich ganz geschäftsmäßig. »Zwei Jungen haben die Überreste in einer Höhle im Gehölz vom Inwood Park gefunden. Haben die Polizei gerufen, die Cops haben Fotos vom Fundort gemacht und dann alles hierhergebracht.«
    »Ich habe die Fotos gesehen. Die geben nicht viel her«, bemerkte Chuck Morton.
    Kathy Azarian hörte gar nicht zu. »Darf ich es mir mal ansehen?«, fragte sie Elaine.
    Lee hielt den Atem an, als Margolies das Laken lüftete und ein fast vollständiges menschliches Skelett enthüllte, blitzblank bis auf ein paar Erdklumpen und Blätter, die noch daran hingen.
    »Nun, es ist eindeutig weiblich«, schloss sie nach einem kurzen Blick.
    »Und in bemerkenswert gutem Zustand, alles in allem betrachtet«, pflichtete Elaine Margolies bei. »Kaum Hinweise auf Tierfraß.«
    »Das passt schon – im Inwood Park gibt es außer Eichhörnchen nicht viel«, bemerkte Morton und warf einen Blick zu Lee, um zu sehen, wie sein Freund das Ganze aufnahm.
    Lee betrachtete die Knochen. Wenn dies tatsächlich seine Schwester war, dann konnte er damit umgehen, sie so zu sehen – immer noch besser als die aufgedunsenen, verwesenden Leichen auf den anderen Bahren.
    Doch Kathy Azarian schüttelte ihren Kopf. »Das ist nicht Ihre Schwester.«
    Morton runzelte die Stirn. »Woran erkennen Sie das?«
    »An der Entwicklung des Beckens. Dieses Mädchen war nicht älter als fünfzehn, als sie starb. Bei reiferen Menschen ist das Becken bedeutend stärker entwickelt. Nicht nur das«, sagte sie zu Lee gewandt. »Sie haben mir doch im Bus erzählt, dass Ihre Schwester Mutter war?«
    »Ja«, bestätigte Lee. »Sie hat – hatte – eine Tochter.«
    »Das ist nicht das Skelett einer Frau in den Zwanzigern«, erklärte Kathy, »schon gar nicht einer Frau, die ein Kind geboren hat. Das steht außer Frage.«
    Chuck Morton strich sich mit einer Hand über sein Bürstenhaar. Auf Lee wirkte er erleichtert.
    »Also«, sagte er. »Da sind Sie sich ganz sicher, ja?«
    »Absolut«, erwiderte sie.
    Die Spannung im Obduktionssaal schwand wie Wasser aus einem Sieb. Und in jenem Moment erkannte Lee, dass er gar nicht so anders als seine Mutter war – solange keine Leiche gefunden wurde, hielt sich in seinem Hinterkopf immer ein winziger Keim der Hoffnung, bereit, augenblicklich aufzugehen und zu erblühen.
    Er sah Chuck Morton an. Zu seiner Überraschung schwitzte sein alter Freund.
    Chucks Handy klingelte – eine beschwingte lateinamerikanische Melodie, die in krassem Gegensatz zu ihrer düsteren Umgebung stand.
    »Hallo?« Er lauschte, dann sagte er: »Okay, danke, dass Sie mir Bescheid gegeben haben.«
    Er legte mit grimmiger Miene auf.
    »Ich fürchte, es gibt schlechte Neuigkeiten.«
    »Was ist passiert?«, fragte Lee.
    »Pater Michael Flaherty ist tot. Er hat sich erhängt.«
    »Oh Gott.«
    »Es gibt einen Abschiedsbrief. Er entschuldigt sich für seine sexuellen Verfehlungen.«
    »Aber das ist alles? Keine Erwähnung der

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