Gott geweiht
…?«
»Nein.«
Niemand von ihnen sprach aus, was sie beide dachten – sie standen wieder ganz am Anfang. Und Lee kam noch ein anderer mulmiger Gedanke: Was, wenn diese neue unbekannte Tote ein früheres Opfer des Schlitzers war?
KAPITEL 18
Der Wald um ihn herum lag still und schweigend da. Die Äste der Bäume hingen tief über dem gewundenen Fluss, ihre Blätter bildeten einen üppigen Baldachin aus Gold und Grün, der ihn verbarg, ihn vor den forschenden neugierigen Blicken von Leuten schützte, die ihn verurteilen mochten .
Er betrachtete den fließenden Bach, das sanfte klare Wasser, das über die Steine in seinem Lauf plätscherte. Er selbst war wie das Wasser, glitt über die Felsen und Kiesel in seinem Weg hinweg, glättete sie mit der Zeit, bis sie abgeschliffen waren, die harten Kanten gerundet wie die weißen Glieder der Frauen, die er errettet hatte.
Sie mussten vor dem Pfad, den sie gewählt hatten, bewahrt werden, bevor es zu spät war. Er war der Einzige, der sie retten konnte – abgesehen vom Herrn und Meister natürlich. Sie beide verstanden die Bedeutung von Reinheit, und er hatte sich rein gehalten – unbefleckt, sauber und klar wie das Wasser, das so schnell über die Steine entlang dem Bachlauf floss. Es war eine schwere Bürde – manchmal beinahe unerträglich –, doch die Bedeutsamkeit seines Werkes trieb ihn voran.
Er legte sich auf die Steine und ließ das reinigende Wasser über sich hinwegfließen. Es war eiskalt, doch das kümmerte ihn nicht. Es half, das lodernde Feuer in seiner Seele zu ersticken. Er schloss seine Augen und ließ die Bilder durch seinen Kopf treiben, so wie das Wasser über seine Haut rann. Wann immer er seine Augen schloss, sah er ihre Gesichter vor sich, ein Gesicht verwandelte sich in das nächste, sodass sich ihre Züge zu einem Stoff aus Erinnerungen und Verlangen verwoben …
Er hatte die Begierde bezwungen, hatte sein Begehren nach diesen Frauen durch schiere Willenskraft besiegt, um einem reineren Antrieb zu folgen. Der Herr und Meister verstand, wie wichtig es war, eine Seele zu retten – indem man die Sünderin aufhielt, bevor sie wieder sündigen konnte.
Und was, wenn sie ihn begehrt hatten, diese Frauen mit ihrer weichen, weißen Haut und den Rehaugen, Augen, die tellergroß wurden vor Entsetzen, wenn er sich über sie beugte, seine Hände um ihren Hals legte, gerade fest genug zudrückte, um ihnen die Luftzufuhr abzuschneiden, und dann zuschaute, wartete, während der letzte Atemzug ihren Körper verließ, wenn er nach dem Moment Ausschau hielt, in dem die Seele floh, befreit aus dem Gefängnis des Körpers, um aufzusteigen – aufzusteigen und durch den Äther in die wartenden Arme Gottes zu fliegen. Und dann das Ritual, Gottes Worte in ihr totes Fleisch zu ritzen, sie zu weihen, während sie dort vor ihm lagen, ihre Körper noch warm …
Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als eine winzige silbrige Wasserschlange vorbeiglitt und dabei mit ihrer schillernden Haut sein Hosenbein streifte. Er war sich der Schlange nicht bewusst, ahnte aber vielleicht ihre Gegenwart, denn er erschauerte, als er an all die Arbeit dachte, die noch vor ihm lag.
Er dachte an die weichen, schmiegsamen Mädchen, verlockend und jung … Er zählte nacheinander ihre Reize auf – den sanften Glanz ihrer Haare, ihre warmen Augen und biegsamen Leiber, die zarten prallen Brüste.
Er stand aus dem Bach auf, klopfte sich ein paar Zweige von den Kleidern und schüttelte sich wie ein Hund, sodass das Wasser in alle Richtungen spritzte. Die Tropfen glitzerten im Sonnenschein, der durch das Laubdach fiel, und verwandelten sich in tausend Prismen. Wieder einmal überwältigte ihn die unberührte Schönheit des Waldes – ein Ort, an den er sich zurückziehen konnte, ohne mit der entweihenden Gegenwart anderer Menschen konfrontiert zu werden. Er holte tief Luft und begab sich wieder in die Richtung, aus der er gekommen war. Das beruhigende Klirren des Schlüsselbunds an seinem Gürtel ließ ihn lächeln, und seine Hand schloss sich um das frisch gewetzte Messer in seiner Tasche.
Es wartete Arbeit auf ihn .
KAPITEL 19
Am nächsten Morgen wachte Lee schweißgebadet auf. Angst schnürte ihm den Magen zu wie eine eisige Faust.
Morgens war es immer am schlimmsten. Die Anforderungen des Tages ragten einschüchternd vor ihm auf, und ihr Schrecken konnte ihm alle Willenskraft rauben und ihn komplett lähmen. Manchmal kannte er den Grund für seine Angstattacke und
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