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Gott geweiht

Gott geweiht

Titel: Gott geweiht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.E. Lawrence
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wie ein Fels, in seinen rot geäderten Augen blitzte Hass auf, und er wirkte jetzt ziemlich bedrohlich. Plötzlich begriff Lee: Der Mann war Alkoholiker. Er fragte sich, weshalb ihm das nicht gleich aufgefallen war – die roten Wangen und Augen, das leichte Zittern der kräftigen Hände. Wahrscheinlich hatte er auf Drängen seiner Frau heute nichts getrunken und brauchte unbedingt einen Drink.
    Mrs. Stavros sah ihren Mann ängstlich an, und Lee wusste nun auch, wovor Pamela weggelaufen war. Sie waren keine glückliche Familie gewesen. Ted Stavros konnte gewalttätig werden, das verrieten sein Gesichtsausdruck und seine Körperhaltung. Für eine Tochter im Teenageralter musste das schrecklich gewesen sein.
    »W-was wollen Sie denn wissen?«, fragte Mrs. Stavros und setzte sich.
    »Kennen Sie Pamelas Freunde hier in New York, wissen Sie, mit wem sie ihre Zeit verbracht hat?«, fragte Chuck.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, sie, ähm, hat uns nicht gesagt, wohin sie geht und mit wem sie sich trifft. Wir wussten nicht einmal, dass sie überhaupt in New York ist, bis …« Tapfer versuchte sie, die Fassung nicht zu verlieren, aber ihre Stimme versagte.
    Ihr Mann beendete den Satz für sie. »Bis wir ihr Foto auf Ihrer Website gefunden haben. Sie hatte einen Freund .« Er sprach das Wort aus, als wäre es etwas unheimlich Widerwärtiges. »Richtig miese Type, ein Junkie, hat sie noch dazu betrogen. Aber sie klebte an ihm.«
    Vom Regen in die Traufe , dachte Lee. Wir fallen immer wieder in die uns bekannten Muster , hätte er dem Mann am liebsten erklärt, und da war ihre Tochter keine Ausnahme . Aber er verkniff sich die spitze Bemerkung und setzte stattdessen einen anteilnehmenden Blick auf.
    »Glauben Sie, sie ist mit ihm nach New York abgehauen?«, fragte Chuck.
    »Keine Ahnung«, antwortete Stavros. »Er kam nicht hier aus der Stadt – und bei uns in Maine ist er vor ein paar Wochen wieder aufgetaucht und meinte, er hätte nichts mit Pamelas Verschwinden zu tun.«
    »Haben Sie ihm das geglaubt?«, wollte Chuck wissen.
    Stavros schaute weg, und ein leichtes Grinsen machte sich auf seinem Gesicht bemerkbar. Lee konnte sich lebhaft vorstellen, wie Stavros den jungen Mann eingeschüchtert hatte, wenn es denn beim Einschüchtern geblieben war.
    »Ja, denke schon«, sagte er. »Ich habe nicht lockergelassen, aber er blieb dabei.« In Gedanken übersetzte Lee sich das so: Mr. Stavros hatte dem Freund seiner Tochter einen kräftigen Satz Prügel erteilt, und als der auch unter Schlägen nichts zugab, hatte er ihm geglaubt. Wie schlimm dieser Junge auch sein mag, mit dem Vater kann er es bestimmt nicht aufnehmen, überlegte Lee. Stavros wirkte ausgesprochen zufrieden mit sich.
    Lee musterte Mrs. Stavros. Vorher hatte er ihr Verhalten auf ihre Trauer zurückgeführt, nun hingegen wertete er es als Zeichen dafür, dass ihr Mann sie schlug. Sie ließ die Schultern hängen, als wollte sie sich klein machen und nur ja nicht auffallen. Bevor sie etwas sagte oder tat, sah sie immer zuerst zu ihrem Mann, um sicherzugehen, dass sie damit nicht seinen Unwillen erregte. Klassische Gesten von Unterwürfigkeit, dachte Lee, und das Schicksal dieser früher wohl sehr hübschen Frau tat ihm leid.
    »Noch etwas«, sagte er. »War Ihre Tochter gläubig?«
    Ted Stavros runzelte die Stirn. »Was spielt das denn für eine Rolle?«
    »Nicht besonders«, antwortete seine Frau. »Wir sind griechisch-orthodox, aber sie war nicht ausgesprochen fromm oder so.«
    »Hat sie eine Kette mit einem Kreuz getragen?«
    Mrs. Stavros wirkte erstaunt. »Ja, stimmt. Erinnerst du dich?«, fragte sie ihren Mann. »Nana hat ihr doch irgendwann zu Weihnachten eins aus Jade geschenkt.«
    »Ach ja«, bestätigte er. »Das mochte sie sehr – hatte es immer um den Hals.« Er sah aus, als würde er gleich weinen.
    »Jade?«, wiederholte Lee. »Dann war es also grün?«
    »Ja. Wäre es wohl möglich, dass wir es zurückbekommen?«, fragte Mrs. Stavros schüchtern. »Es war ein Geschenk von ihrer Großmutter.«
    Lee und Chuck tauschten einen Blick aus. »Tut mir wirklich leid, Mrs. Stavros, wir würden Ihnen die Kette sehr gern zurückgeben, aber wir haben sie nicht«, sagte Lee.
    Mrs. Stavros öffnete weit die Augen. »Was? Und wer hat …«, ließ sie die Frage in der Luft hängen.
    »Ich hoffe, dass wir Ihnen darauf bald eine Antwort geben können«, erwiderte Lee, während Chuck die beiden hinaus in die Abenddämmerung geleitete.
    Die Frage, um die es Lee eigentlich

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