Gott im Unglück
einer von der langweiligen Sorte war, wusste er die Macht um der Macht willen trotzdem zu schätzen.
Der einzige Nachteil war sein sehr launischer Mitbewohner, aber Gorgoz blieb normalerweise im Keller.
Worthington war gerade mitten beim Abendessen, als Gorgoz seine Glocke läutete. Zuerst ignorierte Worthington es, weil er davon ausging, dass sich der Butler um Gorgoz’ Forderungen kümmern werde. Nach fünf Minuten wurde das Dröhnen der Glocke nachdrücklicher. Er stand auf und ging durch sein exquisit und geschmackvoll eingerichtetes Haus. Er hatte genug Inneneinrichter bezahlt, um das zu wissen, auch wenn er selbst nichts davon verstand. Aber es galt auch gar nicht ihm. Er hatte nie Gäste. Doch falls er welche hätte, war er sicher, wären sie beeindruckt. Es gab ungefähr ein Dutzend Räume, die er sich nie angesehen, sondern lediglich vor dem Bau als Skizzen gesehen hatte.
Unterwegs trat er beinahe auf eine gepunktete Schabe und eine gefleckte, blutrote Schlange. Er war an den steten Strom von Katzen, Nagern, Reptilien und Insekten gewöhnt, die rund um die Uhr sein Haus betraten und wieder verließen. Er hatte Haustierklappen einbauen lassen, um es Gorgoz’ Spionen – Seelen, die zu Gorgoz’ Diensten abgezogen worden waren – einfacher zu machen. Die Knechtschaft endete nicht mit dem Tod. Die glücklichen Diener wurden in gestaltwandelnde Spione verwandelt, die als Gorgoz’ Augen und Ohren die Welt durchstreiften. Worthington hatte nicht vor, sein Leben nach dem Tod als gefleckte Hauskatze zu verbringen. Er hatte nichts für Sterblichkeit übrig und hatte Pläne in Gang gesetzt, den Tod zu vermeiden. Im momentanen Stadium war es noch nichts Spezifisches, aber für einen Mann, der bereit war, die richtigen Risiken einzugehen und die richtigen Verträge zu schließen, war alles möglich.
Die Glocke und die Schlange wiesen ihm den Weg, sonst hätte er sich womöglich in seinem eigenen Haus verlaufen.
»Komme!«, schrie Worthington. »Ich komme!«
Er stieg die Treppe hinab. Gorgoz hielt den Keller dunkel, mit nur einer einzelnen hängenden Glühbirne und einem Großbildfernseher, der die ganze Schäbigkeit beleuchtete. Er lümmelte auf seinem Fernsehsessel mit der fünfstufigen Massagefunktion. Diesen Komfort verließ er selten. Noch seltener wechselte er seine Kleidung, und nie duschte er. Der Raum roch nach Formaldehyd, Seetang und Nachos.
»Warum dauert das so lange?«, fragte er, ohne das schiefe Gesicht vom Fernseher abzuwenden. Dessen Licht spiegelte sich in seinen vorstehenden Fischaugen.
»Ich war ganz auf der anderen Seite des Hauses«, antwortete Worthington.
Gorgoz schnaubte. Ein Klümpchen neonblauer Rotz schoss aus seinen Nasenlöchern und klatschte an den Bildschirm. Er hob die Glocke und schüttelte sie ärgerlich. »Biere mich!«
»Ja, Herr.« Worthington zögerte. Er kannte die Antwort schon, musste aber trotzdem fragen. »Du hast nicht zufällig Montoya gesehen, oder?«
»Wen?«
»Den Butler. Den, den ich bezahle, um dich zu … bieren.«
»Oh, der.« Gorgoz tippte mit den langen, schwarzen Krallen gegen seine Stoßzähne. »Ich habe ihn gefressen. Ist das ein Problem?«
»Nein, nein. Eigentlich nicht. Es ist nur … Montoya war ein ziemlich guter Butler, und gutes Personal ist schwer zu finden.«
»Ich hatte schon bessere«, erwiderte Gorgoz. »Der, den wir vor ein paar Wochen hatten, der Chinamann …«
»Man nennt sie jetzt Asiaten«, unterbrach ihn Worthington.
»Der Asiate war knuspriger.« Gorgoz zerquetschte seine leere Bierdose und warf sie zu Boden, auf den Haufen mit den anderen. »Ich mag sie knusprig.«
»Ja, ja.«
»Stellst du mein Urteil infrage, Roger?«
»Nein, niemals.«
»So eine Anmaßung verdient eine sofortige Strafe. Du hast Glück, dass gerade Mary im Fernsehen kommt.« Gorgoz’ lange Zunge schnellte heraus und leckte den Rotz vom Fernseher. Er schluckte ihn am Stück und gab den Blick auf das lächelnde Bild von Mary Tyler Moore frei. »Wenn das hier nicht die Folge mit dem Clownsbegräbnis wäre, würde ich aufstehen und dir das Rückgrat brechen.«
Worthington unterdrückte ein Lächeln. Gorgoz klopfte große Sprüche, aber er brauchte Worthington. Dafür hatte dieser gesorgt. Der Umgang mit Göttern unterschied sich nicht von anderen Geschäftskontakten. Alles drehte sich um Druckmittel. Gorgoz hatte viele Anhänger, aber keiner kam dem gleich, was Worthington anzubieten hatte. Heimlich geweihte Schlachthäuser sorgten für einen steten
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