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Gott im Unglück

Gott im Unglück

Titel: Gott im Unglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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Spitze einer neuen Weltordnung zu setzen. Es klang verheißungsvoll, und die Erdbeben, die jedes Blutopfer begleiteten, waren eine hübsche Show. Der Höhepunkt kam, als jemand es schaffte, einen Elefanten zu besorgen. Das war allerdings eine Menge Blut. Ihr Gott schlürfte es mit Genuss auf, und ein Erdbeben in Singapur tötete ein paar Tausend Leute. Doch es war weit entfernt vom Sturz der Nationen, und Worthington ertappte sich bei dem Gedanken, ob sein Gott vielleicht die Lorbeeren für den göttlichen Zorn eines anderen einheimste, oder noch ärgerlicher: womöglich nur für ein gewöhnliches Erdbeben. Selbst wenn es das Werk seines Gottes gewesen sein sollte, war höllisch viel Blut nötig, um das Ende der Zivilisation herbeizuführen. Worthington war nicht bereit, so viel Mühe zu investieren.
    Er verließ den Kult. Eine Woche später spaltete ein Erdbeben die Erde und verschlang das Pfannkuchenhaus. Die ungezähmten Mächte waren aus gutem Grund verboten. Selbst verglichen mit der kapriziösen Natur der Götter waren sie unberechenbar und gefährlich. Der Kult war vielleicht wegen irgendeiner vermeintlichen Sünde vernichtet worden. Oder aus Langeweile. Oder auch – gut möglich – aus Versehen. Das war immer das Risiko.
    Worthington blieb unbeirrt. Er fand zwei Sorten von Göttern auf seiner Suche. Machtlose Gottheiten, die viel versprachen, aber nie lieferten, und mächtige Kräfte, die sich weigerten zu handeln, weil sie den Zorn der anderen Götter fürchteten. Es dauerte vier Jahre, bis er seine Chance erhielt.
    In China entdeckte er einen Totengott-Kult. Die Huldigung war einfach. Einmal im Monat mussten alle Mitglieder Strohhalme ziehen. Der Verlierer wurde dem Gott geopfert. Inzwischen hatte sich Worthington an solche Risiken gewöhnt. Er kletterte die Führungsleiter hinauf, indem er sich zweimal im Monat der Opferlotterie unterwarf, dann einmal in der Woche. Danach zwei- oder dreimal pro Woche. Irgendwann wurde jeder Tag seines Lebens durch einen Münzwurf entschieden. Die anderen waren von seiner Hingabe beeindruckt. Genau wie sein Gott. Und als er schließlich den kurzen Strohhalm zog und auf den Altar gelegt wurde, schlug er vor, dass ein Gott möglicherweise besser beraten wäre, seine am wenigsten enthusiastischen Anhänger zu opfern und nicht seinen ergebensten Diener. Und der Totengott war seiner Meinung.
    Danach konzentrierte sich die ganze Macht seines Gottes auf ihn, und er machte ein kleines Vermögen. Es war mehr Arbeit. Und chaotischer. Sein Gott brauchte Blut, und Worthington war der Einzige, der dafür sorgte, dass er es bekam. Doch Worthington entwickelte ein relativ risikoloses System, und sein Wohlstand mehrte sich. Er hätte den Rest seines Lebens komfortabel leben können. Nach fünf Jahren merkte er, dass es nicht genügte.
    Er brauchte mehr.
    Sein Gott war ein eifersüchtiger Gott und nur zu begierig, alle Seelen zu verschlingen, die sich ihm widersetzten. Doch Worthington hatte etwas aus seinen Geschäften mit den Untergrundkulten gelernt. Es gab zivilisierte Götter. Und es gab ungezähmte Götter. Und, im Verborgenen, beinahe vergessen, mit Namen, die von Sterblichen und Göttern gleichermaßen furchtsam geflüstert wurden, gab es auch noch die wilden Götter. Ihre Macht war zwar riesig, ihre Forderungen aber waren von der primitivsten Variante. Blut und Seelen, Chaos und Irrsinn. Sie wollten Himmel und Erde mit Blut überzogen wissen, wollten sehen, wie Sterbliche und Götter einander in Stücke rissen. Das alles, um in einem einzigen Augenblick unbändigen, urzeitlichen Grauens zu schwelgen. Sie waren sich auch für kleine Opfer nicht zu schade, doch es brauchte etwas Größeres als einen Elefanten, um ihre Aufmerksamkeit zu wecken. Zum Glück hatte Worthington die Macht und den Einfluss, so etwas zu besorgen.
    Sein alter Gott war über den Wechsel nicht glücklich, aber er machte kein großes Aufheben. Und als der Gott des hässlichen Todes sang- und klanglos vor Worthingtons neuem Herrn zurückwich, wusste Worthington: Er hatte die richtige Entscheidung getroffen.
    Er konnte mit einem einzigen Telefonanruf den Präsidenten verschwinden lassen oder Städte mit einer Drei-Wörter-E-Mail zerstören. Jede Frau, die er begehrte, konnte am Abend in seinem Bett und am nächsten Morgen wieder aus dem Weg sein. Keine Schwelgerei, egal wie lächerlich oder absurd, wurde ihm verwehrt. Und obwohl er in Wahrheit gar nicht schwelgte, weil er – abgesehen von seinen Ambitionen –

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