Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gott im Unglück

Gott im Unglück

Titel: Gott im Unglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
Vom Netzwerk:
sehen.
    Eine Bewegung vor dem Fenster erregte seine Aufmerksamkeit. Eine rote Taube mit schwarzen Punkten saß auf dem Sims. Der Vogel starrte ihn mit seinen strahlend blauen Augen an und pickte zweimal ans Fenster. So fest, dass ein Riss im Glas entstand. Er machte sich Sorgen, der Vogel könnte durchbrechen und einen Sturzflug auf sein Auge vollführen. Aber er flog davon.
    Er wich zurück, behielt aber im Blick, ob der Vogel vielleicht zurückkam. Das tat er nicht, und nach einer Minute fühlte er sich sicher genug, den Blick von der Scheibe abzuwenden. Aus dem Augenwinkel beobachtete er sie aber trotzdem weiter.
    Er griff nach einer Tasse, aber da er nicht ganz bei der Sache war, stieß er sie versehentlich vom Tisch. Eilig kniete er sich hin, um sie aufzuheben, aber der Kaffee hatte sich schon auf dem Teppich verteilt. Er fand ein paar Papierhandtücher in der Bar und versuchte mit wenig Erfolg, das Verschüttete aufzutupfen.
    »So eine Sch…!«
    Es war nicht genug in der Kanne, um die Tasse wieder ganz aufzufüllen. Phil nahm das halb volle Getränk. So hatte der Chef immer noch eine volle Tasse, und Phil musste weniger trinken. Er gratulierte sich gerade zu seiner Cleverness, als Rosenquist zurückkam.
    »Van, es tut mir leid, aber ich habe Kaffee auf Ihren Teppich …«
    »Keine Sorge. Die Putzkolonne wird sich darum kümmern.« Rosenquist schlug Phil so hart zwischen die Schulterblätter, dass sein Rückgrat eine bleibende Krümmung davontrug. »Sie sind jetzt eine Führungskraft.«
    »Ich habe den Job?«
    »So gut wie.« Der Chef nahm seine Tasse und wartete darauf, dass Phil dasselbe tat. Der gehorchte und sie stießen damit an.
    Rosenquist nahm einen herzhaften Schluck von seinem Getränk, während Phil nur daran nippte. Es war nicht besonders gut, aber im Moment schmeckte es wie Nektar vom Olymp.
    »Jetzt wird es noch ein paar Tage dauern, bis alles geregelt ist«, erklärte Rosenquist. »Die ganz normalen bürokratischen Hürden. Aber ich bin zuversichtlich, inoffiziell sagen zu können: Willkommen im siebten Stock.«
    »Danke, Van.«
    Der Chef drückte Phil noch einmal schmerzhaft die Hand. Er ertappte ihn dabei, wie er einen Schulterblick aufs Fenster warf.
    »Stimmt was nicht?«, fragte Rosenquist.
    »Nein«, sagte Phil. »Alles super.«
    »Freut mich zu hören.« Er warf einen Blick auf seine Tasse herab. »Hey, hab ich Ihnen nicht die rote Tasse gegeben?«
    »Ich weiß nicht, Van. Haben Sie?«
    Rosenquists Lächeln erstarb. »Haben Sie die Tassen vertauscht?«
    »Vielleicht. Ich habe nicht drauf geachtet, als ich sie nachgefüllt …«
    Rosenquist goss seinen Kaffee auf den Boden und spähte in die Tasse.
    »Stimmt etwas nicht, Van?«
    Der Boss warf seine Tasse beiseite. Schweißperlen bildeten sich auf seinem Gesicht. Er ließ Phil los und fasste sich an die Brust.
    »Van, bleiben Sie einfach ruhig. Ich rufe einen Arzt.«
    Rosenquist torkelte vorwärts. Phil versuchte, den zusammenbrechenden Manager aufzufangen. Rosenquist war schwerer, als Phil erwartet hatte, und sie endeten beide auf dem Boden, der Chef zuoberst. Phil hatte Schwierigkeiten mit dem Atmen, und es war nicht nur das Gewicht, das auf ihm lastete. Die beiden Hände um seine Kehle hatten auch etwas damit zu tun. Phil schnappte ein paar Mal keuchend und erstickt nach Luft, während er in Rosenquists blutunterlaufene, zuckende Augen starrte.
    Rosenquist sog einen letzten angestrengten Atemzug ein, dann wurde sein Körper steif, und er brach zusammen. Phil wälzte ihn zur Seite und holte tief Luft. Rosenquist atmete nicht mehr, sein Gesicht war zu einer grausigen Grimasse erstarrt. Phil hatte noch nie eine eingefrorene Grimasse gesehen, aber er war sich ziemlich sicher, dass dies eine war.
    Die folgenden Minuten verschwammen in einem Nebel. Er erinnerte sich noch, die Sekretärin alarmiert zu haben, die den Krankenwagen rief. Der kam zwar schnell, aber bis dahin war es offensichtlich zu spät. Phil saß in einem Sessel in der Lobby und versuchte, aus den Ereignissen schlau zu werden.
    Ein Herzinfarkt in diesem besonderen Augenblick erschien ihm unglückselig. Ziemliches Pech. Er fragte sich mehrmals, ob das seine Aussicht auf eine Beförderung schmälerte. Dann fühlte er sich schuldig, weil er so etwas dachte, während eben ein Mensch gestorben war.
    Er überlegte weiter. War es Glück?
    Oder war es Lucky?
    Phil ging früher von der Arbeit weg, damit er vor Teri zu Hause war. Er fand Lucky auf dem Sofa vor dem Fernseher. Anscheinend

Weitere Kostenlose Bücher