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Gott ist tot

Titel: Gott ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald F Currie
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allein von uns selber abhängt, was wir aus unserem leben machen und was für menschen wir werden. aber ich weiß nicht, ob ich schon bereit dafür bin.
    ewig der deine
    Arnold drückte auf Senden und kramte dann Das institutionalisierte Ich aus seiner Schulmappe hervor. Er schlug das Kapitel auf, das Mr. Oswalt ihnen zu lesen aufgegeben hatte, aber er schaffte nicht mehr als ein paar Absätze, bevor seine Gedanken abschweiften und wieder bei Amanda landeten. Er schickte ihr eine nächste andächtige Kurzmitteilung und versuchte sich neuerlich aufs Lesen zu konzentrieren, aber seine Augen kehrten fast ohne sein Zutun zu Amandas Bild an der Wand gegenüber dem Bett zurück, wo er es immer im Blick hatte. Das Foto war eine vergrößerte Kopie aus dem Jahrbuch
der Mädchenschule. Amandas Augen, zwischen denen sich eine einzelne blonde Locke sanft in ihre Stirn ringelte, schimmerten im Kerzenlicht in dem gleichen Blau wie der Ozean an Arnolds Strand. Wie der Ozean blickten ihre Augen tief in ihn hinein, stetig und voller Güte. In Arnold stieg wieder diese ganz eigene Erregung auf, noch immer ungewohnt genug, um ihm den Atem zu verschlagen, bis er keinen anderen Ausweg mehr wusste, als ihr auf die einzige Weise abzuhelfen, die er kannte. Was er tat, und zwar hastig, um bloß nicht erwischt zu werden. Er säuberte sich mit einer Handvoll Papiertaschentüchern, die er anschließend auf dem Grund des Abfalleimers unter seinem Schreibtisch verschwinden ließ. Nach einer weiteren SMS an Amanda wandte er sich wieder seinem Buch zu und kämpfte sich diesmal durch zwanzig Seiten, ehe sein Vater dezent zweimal an die Tür klopfte.
    »Herein«, sagte Arnold.
    Sein Vater öffnete die Tür. »Abendessen«, sagte er.
    Arnold las weiter. »Ist gut. Ich komme gleich.«
    Sein Vater blieb in der Tür stehen. »Arnie«, sagte er, »du weißt, dass es deine Mutter zur Weißglut bringt, wenn du die Schuhe auf dem Bett hast.«
    Ohne aufzusehen, schwenkte Arnold die Füße zur Seite, bis sie plump über die Kante hinausstanden.
    »Sehr lobenswert«, sagte sein Vater. »Aber ich wollte eigentlich darauf hinaus, dass du gewisse Dinge nicht machen musst , nur um deine Mutter zu ärgern.«
    Jetzt hob Arnold den Blick doch. »Dad«, sagte er, »ich bin ein postmoderner Anthropologe. Ich muss überhaupt nichts tun. Ich wähle mir mein Schicksal selbst.«
    »Na gut.« Sein Vater versuchte ein nachsichtiges Lächeln zu unterdrücken. »Aber nur zu deiner Information: Dein Schicksal wird ein qualvoller Tod durch die Hand deiner
Mutter sein, wenn sie dich noch einmal mit Schuhen auf dem Bett erwischt.«

SITUATION IM PAZIFIK »VERZWEIFELT«
    PoMo-Marines in Kauai und Oahu bereiten »Alamo«-Abwehr vor
    An Bord der 3. Marine-Expeditionsbrigade der Postmodernen Anthropologen, Kauai (AP) - Marineinfanteristen auf der westlichsten Insel des Hawaii-Archipels haben am Mittwoch ihre Verteidigungsstellungen gegen den drohenden Angriff der EvoP-Einheiten weiter ausgebaut und zu diesem Zweck Panzerfallen errichtet, auf höher gelegenem Gelände Bunker angelegt sowie Geschützstände verstärkt. Unterdessen sind die ersten der nach der Niederlage in Neuguinea abgezogenen Einheiten am Dienstagabend im Hafen eingelaufen. »Natürlich ist nichts unvermeidlich«, sagte Colonel Francisco Garcia, Kommandant der 3. Marine-Expeditionsbrigade. »Wie wir alle wissen, lässt sich jede Situation von mehreren Seiten betrachten. Aber an einem Angriff im Lauf der nächsten Wochen führt wohl kein Weg vorbei. Und wir sind zahlenmäßig deutlich unterlegen, selbst mit den Einheiten aus Australien und Neuguinea.
    »Eins unserer großen Dilemmata«, sagte Mr. Oswalt zu der Klasse, »das auch der Text, den ich Ihnen aufgegeben habe, thematisiert, ist die Frage, wie sich unsere Prinzipien als Postmoderne Anthropologen mit unserer Sicherheit - oder drastischer ausgedrückt, dem Fortbestehen unserer Lebensweise - vereinbaren lassen. Irgendwelche Ideen dazu?«
    Die meisten Jungen waren in den Anblick eines Elchbullen
vertieft, der auf dem Baseballplatz vor dem Fenster graste. Arnold in seiner Bank ganz hinten fragte sich, ob Amanda wohl wollen würde, dass er die Hand hob.
    »Mr. McCutcheon?«, sagte Oswalt, der langsam die Bankreihen abschritt.
    Kelly McCutcheon räusperte sich. »Ich verstehe die Frage nicht ganz.«
    Oswalt schob sich mit einem Finger die Brille ein Stück höher. »Haben Sie den Text gelesen?«
    »Das meiste schon.«
    »Das meiste schon«, wiederholte Oswalt.

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