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Gott ist tot

Titel: Gott ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald F Currie
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Wind treibt ihn mir in die Augen, dass ich
blinzeln muss. Ich rauche und starre auf die Anstalt und den schwarzen, zugefrorenen Fluss gleich dahinter.
    Ich spüre wieder die Sonne, heiß und prall über der Wiese, sehe wieder das Gesicht des Jungen, bald vor der Sonne beschienen, bald nicht, eine Sonnenfinsternis im Kleinen, während sein Arm auf mich einprügelte …
    Mit einem Finger schnippe ich die Zigarette in den Wind, dann steige ich wieder ins Auto. Ich sehe auf die Uhr. Die Besuchszeit beginnt in einer Viertelstunde. Ich drehe den Zündschlüssel und biege in die Zufahrt ein. Ich lasse mir Zeit. Unter meinen Rädern knirscht der Sand aus dem Schneepflug. Der Fahrer sieht mich kommen und fährt rechts ran, um mich vorbeizulassen.
    Ich folge den Schildern zum Haupteingang, stelle den Wagen ab und trete durch eine Automatiktür in das Gebäude. Mit einem Zischen gleitet die Tür hinter mir zu, so dass Wind und Schnee ausgesperrt sind. Der Eingangsbereich ist ruhig und leer und bestürzend warm. Ein Wachmann in dunkelblauer Uniform sitzt hinter einer dicken Glasscheibe und blickt mir desinteressiert entgegen.
    Durch den Lautsprecher in der Scheibe sage ich ihm, dass ich meinen Bruder besuchen möchte.
    Ihr Bruder ist Patient bei uns?, fragt der Wachmann.
    Ja, sage ich.
    Name?
    Ich sage den Namen. Er nickt, legt ein Klemmbrett und einen Stift in ein Schubfach und schiebt es unter der Scheibe durch.
    Das müssen Sie ausfüllen, sagt er. Er schaut auf die Uhr hinter ihm. Sie können aber erst in zehn Minuten rein.
    Ich nicke und setze mich auf einen der Stühle, die an der Wand aufgereiht stehen. Das Formular auf dem Klemmbrett
verlangt Angaben zur Person, Auskunft über meine Beziehung zu dem Patienten sowie über den Grund des Besuchs. Außerdem gibt es eine Haftungsausschlussklausel, die die Klinik von jeglicher Schuld freispricht, sollte mir bei meinem Besuch etwas zustoßen. Ich lächle in mich hinein, als ich das in dreifacher Ausfertigung unterzeichne.
    Ich trage Klemmbrett und Stift zum Tresen zurück und schiebe es unter der Scheibe durch. Der Wachmann nimmt das Brett aus dem Schubfach und legt es beiseite, ohne einen Blick darauf zu werfen. Der Stift bleibt im Fach liegen. Ich stemme die Hände in die Hosentaschen und hüstle.
    Zwei Minuten, sagt der Wachmann, ohne aufzusehen.
    Ich höre wieder das hohe, elektrische Sirren von tausend Grashüpfern. Schmecke wieder Erde und Blut.
    Ich warte die zwei Minuten. Als sie um sind, langt der Wachmann unter den Tresen und drückt einen Knopf, den ich nicht sehen kann. In der Tür zu meiner Rechten ertönt ein lautes Summen. Der Wachmann macht mir ein Zeichen, dass ich sie aufziehen soll, und ich gehorche. Er erklärt mir den Weg, während ich auf der Schwelle stehe, die Tür einen Spalt aufgestemmt, damit sie nicht vorzeitig ins Schloss fällt. Als er fertig ist, gehe ich hindurch.
    Folgen Sie dem Korridor bis ganz nach hinten, so hat er gesagt. Die Patienten hier unten dürfen sich frei bewegen. Vielleicht werden Sie von ihnen angesprochen, vielleicht beschimpfen oder bedrohen einige Sie sogar. Ignorieren Sie sie einfach. Sie riechen zwar schlecht und sind sonderbar oder nur spärlich bekleidet. Manche sehen auch richtig gefährlich aus. Das täuscht; sie sind harmlos. Trotzdem, gehen Sie zügig weiter. Bleiben Sie ja nicht stehen. Aber fangen Sie auch auf gar keinen Fall - wirklich auf gar keinen Fall - zu laufen an. Ganz am Ende des Korridors finden Sie einen Aufzug. Mit
dem fahren Sie in den sechsten Stock. Es ist dunkel im Lift, wenn die Türen zugehen, und er knarzt und ächzt beim Fahren, aber keine Angst. Wenn Sie unter Klaustrophobie leiden, Augen zu und durch: Bis in den sechsten Stock sind es nur ein paar Sekunden. Wenn der Lift hält und die Tür aufgeht, halten Sie sich links und gehen den Gang entlang bis zum Schwesternzimmer. Denken Sie sich nichts wegen der Patienten hier oben; auf dieser Etage sind sie alle in Einzelzellen eingesperrt und werden durchgehend überwacht.
    Ich befolge sämtliche seiner Anweisungen. Im Schwesternzimmer im sechsten Stock gibt mir ein dünner Mann mit gestärktem weißem Kittel noch ein Formular zum Ausfüllen.
    Ich spüre wieder, wie mein Hemd an der Schulter zerreißt. Ein Steinbrocken, der halb aus der Erde steht, bohrt sich mir ins Kreuz.
    Das ist Ihr Bruder?, fragt der Mann, als ich mit dem Ausfüllen fertig bin.
    Ja, sage ich.
    Mann, der hält uns vielleicht auf Trab, sagt er. Wir haben nur einen Pfleger, der mit

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