Gott ist tot
ihm fertig wird. Und der fällt jetzt für mindestens eine Woche aus.
Wo ist er?, frage ich höflichkeitshalber.
Gestern waren wir mit Ihrem Bruder auf dem Weg zum Duschen, sagt der Mann. Wir kommen am Frühstückswagen vorbei, und Ihr Bruder greift sich eine von diesen schweren Kunststoffkaffeekannen und rammt sie Little John volle Pulle in die Fresse. Hat ihm gleich zweifach die Nase gebrochen.
Der Mann lacht und schüttelt den Kopf. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Also sage ich nichts.
Ich spüre wieder die Tränen in mir hochsteigen. Höre mich weinen, voll Angst und voll Scham, den Mund mit Blut und mit Erde gefüllt, auf dieser Wiese unter der heißen Sonne,
während Tausende von Grashüpfern im Chor sirren und die dünnen, geknickten Halme und der kantige Steinbrocken kratzen und stechen.
Tja , sagt der Mann und winkt mich hinter sich her, deshalb haben wir Ihren Bruder vorerst hier untergebracht, in der Isolationszelle. Gefahr für sich und andere. Wir mussten ihn ziemlich gründlich vollpumpen, wundern Sie sich also nicht, wenn er nicht allzu gesprächig ist.
Der Mann bleibt vor der letzten Tür auf dem Korridor stehen. Die Tür ist massiv und fensterlos; nur auf Augenhöhe ist eine kleine Luke zum Aufschieben. Der Mann klopft dreimal mit dem Knöchel gegen die Tür, dann ruft er den Namen meines Bruders und kündigt ihm Besuch an. Er steckt einen Schlüssel ins Schlüsselloch und dreht ihn zweimal. Man hört die Zylinder rollen, durch den Korridor hallt zweimal ein sattes metallisches Klacken, und die Tür springt auf.
Gehen Sie nur rein, sagt der Mann zu mir. Sie brauchen keine Angst haben. Er ist fixiert, und ich habe ein Auge auf Sie. Der Mann schiebt die Luke auf, damit ich weiß, was er meint.
Ich möchte ihm sagen, dass ich keine Angst habe. Dass mein Bruder trotz allem, was er getan hat, trotz der unleugbaren Tatsache, dass er grauenhaft und unumkehrbar wahnsinnig ist, immer noch mein Bruder ist. Aber mir ist klar, dass dieser Mann das genauso wenig verstehen würde wie alle anderen, und so nicke ich nur und gehe durch die Tür und höre sie hinter mir ins Schloss fallen.
Ich sehe wieder die Silhouette meines Bruders hinter dem Jungen auftauchen und die Sonne auslöschen, wutschnaubend, riesengroß, ein Rachegott, der zu meiner Rettung herbeieilt. Und schlagartig höre ich auch die Worte, die er ausstieß, wieder und immer wieder, während er auf den Jungen
einschlug: Ich bin der, der Leben nimmt und Leben gibt! Meiner Macht entrinnt keiner!
Aber jetzt, in diesem Raum hier mit meinem Bruder, spielt es plötzlich keine Rolle mehr, ob die Erinnerung echt oder nur Einbildung ist. Ich fühle mich verschwitzt und kraftlos, und nichts spielt noch irgendeine Rolle.
Dann ist da die andere Sache, um deretwillen ich hergekommen bin, und es scheint mir das Klügste, sie hinter mich zu bringen, bevor auch der letzte Rest an Energie und Entschlusskraft mich verlässt.
Ich stecke die Hand in die Jackentasche, spüre das Eisen.
Ich hab dir was mitgebracht, sage ich zu meinem Bruder. Ich lächle nicht dabei.
Ich ziehe die Hand aus der Tasche, und mit ihr den Totschläger. Ich höre den Pfleger hinter der verschlossenen Tür. Er macht ein Geräusch, als hätte ihn jemand in die Magengrube geboxt. Er hämmert an die Tür, aber ich kümmere mich nicht um ihn. Ich höre ein fieberhaftes Gemurmel und das Rasseln von Schlüsseln in fahrigen, panischen Händen, aber bis dahin ist es längst zu spät.
Rückzug
Und ich will das Gebirge Seïr wüst und öde machen und alle ausrotten, die dort hin- und herziehen. Und ich will seine Berge mit Erschlagenen füllen, seine Hügel, seine Täler und alle seine Bachläufe - überall sollen vom Schwert Erschlagene liegen. Ja, zu einer ewigen Wüste will ich dich machen, dass niemand mehr in deinen Städten wohnt, und ihr sollt erfahren, dass ich der HERR bin.
Hesekiel 35, 7-9
A rnold wurde nicht aus dem Marinekorps entlassen, weder ehrenhaft noch anderweitig; es blieb keine Zeit für solche Formalien, keine Zeit für Unterschrift und Händedruck, während es Artilleriegeschosse hagelte und die Menschen, Soldaten wie Zivilisten, aufeinander losgingen, um ihre nackte Haut zu retten. Er verließ die Marines praktisch Knall auf Fall. Er warf einfach sein Gewehr hin, schmiss die Uniform weg und floh aus Mexico City - stolperte über zertrümmertes Mauerwerk und zerborstenes Glas, durch eine Nacht, die der Flammenschein taghell erleuchtete. Über die Strafen, die auf
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