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Gott oder Zufall?

Gott oder Zufall?

Titel: Gott oder Zufall? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Berry
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brachte sie zum Beispiel Dean Hamer,
Das Gottes-Gen: Warum uns der Glaube im Blut liegt
(München 2006). Im Magazin
Time
vom Oktober 2004 lautete eine Frage: »Zwingt uns unsere DNA , nach einer höheren Macht zu suchen? Ob man es glaubt oder nicht: Manche Forscher bejahen dies.« Äußerungen wie diese ernten bei Wissenschaftlern fast einhellig Spott. Um dies nachvollziehen, muss man die Hintergründe von Hamers Forschungen beleuchten, dem Hauptthema seines Buchs.
     
    Zwillingsstudien sind eine probate Methode, um genetische von umweltbedingten Einflüssen zu unterscheiden.  ©  © Corbis/​Randy Faris
     
    Wie frühere Forschungen an Zwillingen zeigten, haben Gene auf Parameter wie die, ob man an Gott geglaubt oder einen Glauben praktiziert, nur einen geringen Einfluss: Geht ein Zwilling zur Kirche (oder glaubt an Gott), ist dies mit hoher Wahrscheinlichkeit auch beim zweiten der Fall. Aber diese Korrelation ist bei eineiigen – genetisch identischen – Zwillingen gegenüber zweieiigen – ihre Erbanlagen sind so verschieden wie die gewöhnlicher Geschwister – nur leicht erhöht. Dabei befasste sich Hamer gar nicht mit Glauben und Religiosität, sondern wertete die Antworten zu einem psychologischen Fragebogen aus, mit dem die sogenannte »Selbst-Transzendenz« gemessen werden sollte, und zwar anhand von drei Faktoren: Selbstvergessenheit, der Neigung, sich dem Universum verbunden zu fühlen, und Offenheit für Dinge, die sich nicht überprüfen lassen, wie außersinnliche Wahrnehmungen ( ASW ). Frühere Zwillingsstudien hatten einen starken genetischen Einfluss auf die Selbst-Transzendenz erbracht. Hamer stieß auf eine (allerdings schwache) Korrelation zwischen dem Wert der Selbst-Transzendenz einer Person und einer bestimmten Variante des vesikulären Monoamintransporter-2-Gens ( VMAT 2), das die Spiegel der Botenstoffe Serotonin, Dopamin und Noradrenalin in den Synapsen kontrolliert.
    Tatsächlich erbrachten Hamers Forschungen (und sein Buch) keinen Beleg dafür, dass uns »der Glaube im Blut liegt«, wie es im Titel seines Buchs heißt. Dagegen wand ein Rezensent der Zeitschrift
Scientific American
ein: »Das Buch trüge besser den Titel: ›Ein Gen, das nach einer unveröffentlichten und nicht wiederholten Studie für weniger als ein Prozent der Varianz verantwortlich ist, die in den Bewertungsziffern zu Fragebögen auftauchten, die einen Faktor namens Selbst-Transzendenz messen sollten, der alles Mögliche bezeichnen kann, von der Mitgliedschaft in der Grünen Partei bis hin zum Glauben an ASW ‹.«
    Entgegen Behauptungen in der Sensationspresse deuten die Forschungsergebnisse (hauptsächlich aus Zwillingsstudien) darauf hin, dass genetische Unterschiede kaum eine Rolle dabei spielen, wer zu einem religiösen Glauben findet.

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    Wissenschaft, Ethik und Christentum
    Die moderne Wissenschaft wirft Fragen auf, zu denen verschiedene Positionen bezogen werden. Wenn wir diese verstehen, können wir eigene Sichtweisen entwickeln, auch dazu, ob es in einer bestimmten Frage einen besonderen christlichen Standpunkt gibt – also eine christliche Ethik. Die Ethik ist, grob gefasst, die Lehre von den Grundsätzen, die an moralischen Entscheidungen beteiligt sind, oder, wie es das Oxford English Dictionary definiert, die Lehre der »moralischen Grundsätze, die das Verhalten einer Person oder eine Handlung leiten«, also »der Wissenszweig, der mit moralischen Prinzipien zu tun hat«. Im Zentrum der Ethik steht die Sittlichkeit, die Vorstellung, dass Handlungen richtig oder falsch sind. Daraus ergeben sich dringliche Fragen: »Welches sind diese moralischen Prinzipien?« – »Woher stammen sie?« – »Und wie erkennen wir sie?« Hauptsächlich vier Ansätze versuchen, Antworten auf diese Fragen zu geben.
    Gezüchtete Grünalgen könnten zu einer wichtigen Energiequelle werden.  ©  © Corbis/​San Francisco Chronicle
     
    Erstens gibt es ein
Naturrecht,
wonach richtig ist, was Menschen (oder andere Wesen) befähigt, ihr natürliches Potenzial zu entfalten. Als bekanntester Vertreter dieses Ansatzes stellte Aristoteles die verschiedenen Bestandteile der Natur in eine Hierarchie, die von unbeseelten Dingen wie Steinen über Pflanze, Tier und Mensch bis zu Gott aufsteigt. Jedes Element hatte ein eigenes Telos, eine wesentliche Natur und Zweckhaftigkeit. Als moralisch falsch galt, dieses Telos an seinem Ausdruck zu hindern. Gedanken zum Naturrecht tauchen vor allem in den Schriften Thomas von

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