Gott oder Zufall?
Weltbevölkerung weiter wächst, wird die nutzbare Agrarfläche durch Umweltschäden, Bodenerosion, Erderwärmung und einen immer höheren Bedarf an Wohnraum wahrscheinlich weiter abnehmen. Die gegenwärtige Agrarproduktion wird daher nicht mehr ausreichen, um alle Menschen satt zu bekommen. Die Herausforderung liegt folglich darin, höhere Erträge zu erzielen. Dazu müssen auch neue Pflanzen gezüchtet oder entwickelt werden, die unter schwierigeren Bedingungen gedeihen. Eine Methode ist deren gentechnische Veränderung, die aber unter Christen und in weiten Teilen der Gesellschaft auf heftigen Widerstand stößt. Ist der Einsatz von Gentechnik bei Nutzpflanzen mit christlichen Werten wie der »Bewahrung der Schöpfung«, Gerechtigkeit auf der Welt und Linderung von Leiden vereinbar?
Die blaue Rose verdankt ihre Farbe einem eingeschleusten Gen aus einer Petunie. © © Corbis/Ocean
Im ersten Fall lautet die Frage, ob die Übertragung von Genen von einem Organismus zum anderen überhaupt statthaft ist: Gibt es deontologische oder naturrechtliche Einwände? Es ist schwer nachvollziehbar, warum die GV von vornherein falsch sein sollte, vor allem, wenn man sie mit anderen Zuchtmethoden bei Pflanzen vergleicht. Der Austausch von Genen zwischen Arten findet häufig auch in der Natur statt. Dennoch werden die grundsätzlichen Einwände mancher Gegner gegen die GV respektiert.
Zweitens stellt sich die Frage nach den Gefahren für die Umwelt. GV -Pflanzen könnten in die freie Natur gelangen (auswildern). Zudem können einige (sehr wenige) Sorten von Nutzpflanzen durch Bestäubung mit sehr eng verwandten Wildarten hybridisieren. Dies gilt für eine GV - ebenso wie für eine »konventionelle« Züchtung. Um mögliche Umweltrisiken durch ausgewilderte oder ausgekreuzte Pflanzen zu beurteilen, müssen deren Erbmerkmale und nicht die Methoden betrachtet werden, mit denen diese eingebracht wurden. Dennoch ist anzuerkennen, dass sich diese Erbmerkmale mit GV –Methoden breiter fächern lassen als mit konventioneller Züchtung. In jedem Einzelfall ist eine angemessene Risikoanalyse erforderlich.
Das dritte Problem für die Umwelt betrifft die Artenvielfalt. Als eines der wichtigen Merkmale wurde mit Hilfe der Gentechnik zunächst die Resistenz gegen Unkrautvernichtungsmittel eingeführt. Großversuche auf Farmen zeigten, dass der Anbau so gefeiter Pflanzen die Artenvielfalt verringerte. Dies bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass GV -Pflanzen dafür verantwortlich waren. Züchter erzeugten auch auf konventionellem Weg solche resistenten Nutzpflanzen, bei denen die Folgen aber nicht untersucht wurden. Sie dürfen nach gegenwärtigen Vorschriften in der kommerziellen Landwirtschaft verbreitet werden.
Können GV -Nutzpflanzen helfen, das Gebot der Nächstenliebe (Mt 22,39) zu erfüllen? Abgesehen von der Anti-Matsch-Tomate (die eher als »Versuchsballon« gelten kann), waren die wichtigsten Merkmale der ersten Generation von GV -Pflanzen eher auf den Nutzen für den Erzeuger als für den Verbraucher zugeschnitten. An sich ist dies moralisch nicht falsch: Schädlingsresistente Sorten verringern den Bedarf an umweltschädigenden Insektiziden. Auch bescherten sie Kleinbauern in schwach entwickelten Ländern bessere Erträge und höhere Einkommen. GV -Pflanzen der zweiten Generation zeigen Merkmale, die dem Verbraucher nutzen, so der »Goldene Reis«, der dem Vitamin-A-Mangel vorbeugt, an dem in Asien Tausende von Kindern erblinden (siehe auch die Heilung von Blinden, Lk 7,22).
Allerdings führten hohe Entwicklungskosten (insbesondere wegen der Sicherheitsstandards) dazu, dass die gentechnischen Patente am Ende des 20. Jahrhunderts hauptsächlich in den Händen von sechs großen Konzernen in reichen Ländern lagen. An dieses Problem knüpft sich auch die höchst umstrittene Frage, ob Gene patentierbar sein sollen. In den USA und der EU gab es bis vor kurzem für Entdeckungen keinen Patentschutz, weshalb auch Teile der Natur, einschließlich der Gene, als nicht patentierbar galten. Aus christlicher Sicht sind Gene als Bestandteile der Natur Werke des Schöpfers. Dagegen argumentierten betroffene Firmen, dass es sich um eine Erfindung handele, wenn sie Kopien von Genen gentechnisch nutzten, auch wenn diese dieselbe Struktur hätten wie die Gene. Patentämter schlossen sich dem Argument an, erteilten auf eine Reihe von Genen Patente und stärkten damit die Macht von Großkonzernen. Zahlreiche Organisationen und
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