Gott oder Zufall?
Metalloberfläche, emittiert sie Elektronen. Wird die Frequenz allerdings auf rotes Licht abgesenkt, bleiben die Elektronen im Metall. Einstein erklärte das Phänomen so, dass Licht anstatt aus Wellen aus separaten Quanten (Photonen) bestehe. Die Energie eines Photons war gleich der Frequenz, multipliziert mit einer Konstante. Nur blaues Licht birgt genügend Energie, um Elektronen freizusetzen. © © Science Photo Library/Jacopin
Gott und die Zeit ⬅
In Psalm 90,3 heißt es über die Ewigkeit Gottes: »Ehe die Berge geboren wurden, die Erde entstand und das Weltall, bist du, o Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.« Die göttliche Ewigkeit ist nicht nur eine wesentliche Lehre des christlichen Glaubens, sie spendet dem Gläubigen auch Trost und Sicherheit. Zugleich ist sie jedoch mit Schwierigkeiten behaftet: Wie ist die Beziehung zwischen Gott und der Zeit zu verstehen? Wenn Gott die Zeit geschaffen hat, muss er sie irgendwie transzendieren. Aber wie kann ein Gott außerhalb der Zeit mit seiner zeitlichen Schöpfung zusammenwirken? Unser Verständnis von der Beziehung zwischen Gott und Zeit prägt unsere Vorstellungen von Allwissenheit, Unveränderlichkeit, göttlicher Einfachheit, Schöpfung, Vorsehung und Fleischwerdung.
Vom 4. bis zum 14. Jahrhundert vertraten die Theologen gewöhnlich die Sicht vom zeitlosen Gott. Damit konnten zeitliche Konzepte auf das Wesen Gottes nicht angewandt werden. In der patristischen Theologie wurde diese Konzeption der göttlichen Ewigkeit von der neuplatonischen Philosophie beeinflusst, die zwischen Sein und Werden unterscheidet. Während das Reich des Werdens veränderlich und zeitlich ist, gilt das des Seins als unveränderlich und ewig. In der mittelalterlichen Theologie stößt man auf das Konzept der göttlichen Zeitlosigkeit bei Boethius (480–525), der in seinem Werk
Der Trost der Philosophie
dessen klassische Definition prägte: »Was immer die ganze Fülle des endlosen Lebens beinhaltet und besitzt und so gestaltet ist, dass nichts Zukünftiges fehlt und nichts Vergangenes verflossen ist, das wird zu Recht als ewig beurteilt.« Nach dieser Sichtweise der Ewigkeit transzendiert Gott ganz und gar die Zeit.
Die mittelalterlichen Theologen, die eine göttliche Zeitlosigkeit vertraten, übernahmen effektiv eine statische Sicht von der Zeit: Demnach gab es keinen ontologischen Unterschied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, da alle Augenblicke in der Zeit koexistierten. Dieses Verständnis findet unter modernen Metaphysikern aus mindestens zwei Gründen Verbreitung: erstens wegen der einflussreichen These des Cambridger Idealisten John Ellis McTaggart, wonach Zeit nicht existiere (das »McTaggart-Paradox«), und zweitens wegen einer vorherrschenden philosophischen Deutung der Speziellen Relativitätstheorie ( SRT ). Philosophen wenden sich zwar im Allgemeinen gegen McTaggarts Schluss, wonach es Zeit nicht gebe, stimmen aber darin überein, dass sich die Zeit nicht über die Eigenschaften des Vergangen-, Gegenwärtig- und Zukünftigseins definieren lässt (A-Theorie). Sie favorisieren eine statische Sicht der Zeit, die durch Beziehungen wie »früher als«, »zeitgleich mit« und »später als« (B-Theorie) definiert ist.
Gegner der statischen Sicht argumentieren, dass das Verrinnen der Zeit ein reales und unerbittliches Merkmal der Welt sei, das sich niemals auf eine geistige Wahrnehmung reduzieren lasse. Diese Philosophen vertreten eine dynamische Theorie der Zeit (A-Theorie), in der die Zeitform sehr wichtig ist. Nach ihnen gibt es einen grundlegenden Unterschied, ob man »X ist P« oder »X war P« sagt. Demnach haben die Gegenwart und die Vergangenheit gegenüber der Zukunft einen verschiedenen ontologischen Status. Während die Gegenwart real ist und die Vergangenheit real war, ist die Zukunft noch nicht real. Am heftigsten angefochten wird diese Zeit-Theorie durch eine bestimmte Deutung der SRT , wonach das Vergehen der Zeit kein objektiver Zug der Welt sein kann, weil es absolute Gleichzeitigkeit nicht gebe. Philosophen der dynamischen Theorie der Zeit begegnen diesem Einwand mit einer von zwei Antworten: Sie leugnen die Relativitätstheorie entweder (1) oder argumentieren vielversprechender (2), dass diese absolute Gleichzeitigkeit nicht ausschließe.
Die dynamische Theorie der Zeit erfordert eine Sicht von der göttlichen Ewigkeit, die vom klassischen Verständnis abweicht. Im Spätmittelalter ebneten Theologen wie Duns Scotus (1266–1308)
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