Gott oder Zufall?
Klassen zu gering ausgefallen. Bezog man die Hitze, die radioaktiver Zerfall freisetzte, ins Kalkül der benötigten Abkühlungszeit mit ein, ergab sich für die Erde ein bedeutend höheres Alter. Ernest Rutherford avancierte auf dem neuen Gebiet der Radioaktivität rasch zu einer Führungsfigur. Schon 1904 schlug er vor, den Zerfall von Helium in Mineralien zur Altersbestimmung von Gesteinen zu nutzen. Dank dieser Methode, mit der immer mehr Gesteinsproben untersucht wurden, und mit verbesserten Instrumenten wurden die Schätzungen genauer. 1953 taxierte Clair C. Patterson das Alter der Erde auf 4,55 Milliarden Jahre, ein Wert, der seither ziemlich stabil blieb.
Theologische Sichtweisen zum Alter der Erde
Die wissenschaftliche Bestimmung von Zeiträumen auf der Erde ist mit der biblischen Erzählung ab Genesis 2 – in einem Bereich von ca. 10000 Jahren – problemlos in Einklang zu bringen. Schwierig wird es dagegen mit der Aussage, wonach das gesamte Universum in sechs Tagen erschaffen worden sei. Nach einem Lösungsansatz habe es sich dabei nicht um 24-Stunden-, sondern um deutlich längere Tage gehandelt. Nach einem anderen sei die Erde eben jünger. Auch wenn sich die Wissenschaft mit so einer Hypothese nicht ernsthaft auseinandersetzen kann, wirft sie gewaltige theologische Fragen auf: Wäre sie richtig, so bedeutete dies, dass Gott das Universum mit Absicht so entworfen hätte, um uns Menschen zu täuschen. Aber dies ist mit allem, was uns Gott in der Bibel über sich sagt, kaum zu vereinbaren.
Der Large Hadron Collider ist ein gewaltiger Teilchenbeschleuniger unter den Alpen bei Genf. Er soll die Tiefenstruktur von Zeit und Raum erforschen. © © Corbis/Martial Trezzini
© © Science Photo Library/Vincent Moncorgé/LookatSciences
Der fruchtbarste Ansatz besteht darin, die Passagen der Genesis zu den fünf Schöpfungstagen als literarisches Genre zu betrachten. Tatsächlich deuteten schon Augustinus, Origenes und weitere frühe Kirchenväter in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten die Genesis bildhaft. In die Schöpfungsgeschichte eine wissenschaftliche Bedeutung hineindeuteln zu wollen wäre völlig unzeitgemäß, zielt sie doch hauptsächlich auf eine Erläuterung dessen ab, was Gott mit seiner Schöpfung beabsichtigte und welche Beziehung er zu ihr hat. Geoffenbart wird hier ein Universum, das ein liebevoller persönlicher Gott planvoll erschaffen hat; sein Hauptziel bestand darin, es so zu gestalten, dass Menschen in ihrem Leben Erfüllung finden und zu ihm eine liebevolle Beziehung unterhalten konnten. Das biblische Zeugnis, wonach der Kosmos mit einer Zielsetzung erschaffen wurde, und die wissenschaftlichen Erkenntnisse, wonach sich das Universum über Milliarden Jahre so entwickelte, dass Menschen in ihm leben können, stützen im Verbund die Botschaft, dass die Menschheit kein Zufallsprodukt eines sinnlosen Universums ist.
Die biblische Zukunft
Haben Welt und Menschheit einen Sinn? Bewegen sie sich auf eine Art Erfüllung oder ein
Eschaton,
eine Endzeit, zu? Für die monotheistischen Religionen laufen Zeit und Geschichte nicht zyklisch ab. Judentum, Islam und Christentum stimmen darin überein, dass die Menschheit zu einem Zweck erschaffen wurde: Wir bewegen uns auf ein Ende zu, an dem Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde erschaffen wird, die von Sünde, Bösem und deren Folgen erlöst sein wird. Dann erfüllen Welt und Menschheit ihre Bestimmung. Dieser »Omegapunkt« markierte für den Jesuiten und Wissenschaftler Teilhard de Chardin die letzte Vollendung. Die prophetischen Schriften Jesajas und die Offenbarung geben idyllische Schilderungen von der Einheit der Natur, der Harmonie zwischen Mensch und Tier sowie der materiellen Welt mit Gott, der im Zentrum der Verehrung steht. Der Glaube muss ebenso sehr auf Zeugnis wie auf Hoffnung beruhen. Er eröffnet eine Sicht auf die Zukunft, wie sie rein wissenschaftliche Darstellungen nicht bieten. Kraft unsers Menschseins stellen wir uns die großen ontologischen Fragen: Warum existieren wir? Was tun wir hier? Wohin gehen wir, falls wir irgendwohin gehen?
Wenn wir uns fragen, wie denn die Bibel die Zukunft behandelt, stoßen wir auf ganz unterschiedliche Texte, die auf vielfältigste Weise ausgelegt wurden. Gleichwohl ergibt sich aus ihnen ein umfassenderes Bild; es ermöglicht uns, die Hoffnung für die Menschheit auf eine Hoffnung für das gesamte Universum zu beziehen.
Zentral ist hier der
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