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Gott-Poker (German Edition)

Gott-Poker (German Edition)

Titel: Gott-Poker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Scholz
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einfach nicht mehr wiedergekommen. Sie hatte es gewusst, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, und obwohl sie gewusst hatte, dass er nicht wiederkommen würde, hatte sie gewartet, tagelang, monatelang, und über die Jahre war das Warten zu einem diffusen Dauerzustand geworden, der mit Nicolas nicht viel zu tun hatte, aber nicht mehr aus ihrem Bewusstsein wegzudenken war, ja der ihr sogar eine gewisse Lust bereitete, und als sie Karl einen Schlüssel gegeben hatte, war es nicht ohne den Gedanken gewesen, dass es immer, wenn sich ein Schlüssel im Schloss drehte, stets auch Nicolas sein könnte, der nach Hause käme. Es sah ihm vollkommen ähnlich, sich ohne Erklärung davonzumachen, und statt einem Wort des Abschieds lieber dieses riesige, schwere Ding zu hinterlassen, mit dem niemand etwas anfangen und das man nur mit enormem Aufwand wieder loswerden konnte.
     
    Die Baronin hatte das Pulver großzügig in den Augen der Katze verteilt, voller Vorfreude auf den erschreckten Ausruf ihres Sohnes, der vor der Statue schon als Kind Angst gehabt hatte. Dann jedoch war sie auf den Balkon gegangen und eingeschlafen, und als sie wieder aufwachte, war ihr Sohn schon im Aufbruch begriffen gewesen und hatte nicht zum Abendessen bleiben wollen. So hatte er die leuchtenden Katzenaugen im Esszimmer gar nicht gesehen. Die Baronin war sich schlecht vorgekommen, dass sie ihn hatte hereinlegen wollen, und dann auch noch auf eine so überaus kindische Art. Manchmal, besonders in solchen Momenten, wurde die Baronin von einer fast nicht zu ertragenden Liebe zu ihrem langweiligen Jungen übermannt. Mit Tränen in den Augen hatte sie am Esszimmertisch im Dunklen gesessen, die Augen der Katze leuchteten gespenstisch von der Wand herüber, und hatte an ihren Sohn gedacht, wie ernsthaft und ehrgeizig und wie besorgt er um sie war, und was er wohl sagen würde, wenn er wüsste, wer der Mann im Pelzmantel wirklich gewesen war und was er mit ihr machte. Bei dem Gedanken daran bekam sie eine Gänsehaut und musste wieder kichern. Dann hatte sie selbst Angst vor den leuchtenden Katzenaugen bekommen, sich die Tränen aus den Augen gewischt, war in die Küche gegangen und hatte eine grüne Gurke geschält, die sie im Stehen an der Anrichte in Stücke schnitt und in Zucker getaucht aß.
     
    Nun lag die Baronin in ihrem Bett und schlief und del Toro saß vor der Katzenstatue mit den leuchtenden Augen, während Karl auf Klaras Anruf hin ins Krankenhaus gerannt war und die Katze darüber völlig vergessen hatte.
    Es war sehr ruhig im Bewusstsein der kleinen weißen Katze, die nicht ahnte, dass sie es mit einem albernen Streich zu tun hatte. Del Toro verlor sich in dem grünen Leuchten der Augen. Es musste i rgendwo aus dem Inneren der Katze her kommen, die so merkwürdig gerade und steif auf diesem Hocker saß. Es schien, als ginge ein staubiger Geruch von ihr aus. Del Toro starrte ihr in die Augen und befand sich plötzlich wieder auf dem Friedhof, auf dem sie Maria vermutete.
    Dort war es mittlerweile dunkel geworden. Von einigen Grabsteinen ging ein merkwürdiges Leuc hten aus, das den Umkreis schwach erhellte.
     
     
     
    Von irgendwoher kam Wasserrauschen. Karl und Klara tasteten sich langsam vorwärts. Sie waren von der Mauer heruntergesprungen, um del Toro nicht aus den Augen zu verlieren, doch die weiße Katze war im Schnee und in der Dunkelheit bald nicht mehr auszumachen gewesen. Aus einigen Grabgemäuern kam ein diffuses, rötlich flackerndes Licht, das über den alten, verschneiten Friedhof fiel und allem, was ihm in den Weg kam, einen riesenhaften, zuckenden Schatten verlieh.
    » Wo ist sie hin?« fragte Klara. Ihre Stimme klang viel zu laut und hallte. Sie führte ihre schmerzende Hand zu ihrem Kehlkopf, wie um den Effekt abzuschwächen. Ihr Hals wurde nass von Blut, doch sie hielt die Feuchtigkeit für Schnee und merkte es nicht.
    » Wer?«
    »Na die Katze.«
    Karl zuckte die Schultern. »Hörst du noch was?«
    Sie standen vor einer Gruft und lauscht en. Von irgendwoher war ein leises Weinen zu vernehmen. Und Wasserrauschen.
    » Ob hier ein unterirdischer Fluss ist?«
    » Ich weiß nicht. Woher kommt dieses Schluchzen?«
    Karl ging zu dem Gitter, das den Eingang zu dem Grabgemäuer versperrte.
    »Sieh nur, überall frische, rote Rosen!«
    » Kommen wir da irgendwie hinein?«
    Karl drückte auf die Klinke. Sie war eiskalt, ließ sich aber nach unten drücken. Lautlos öffnete sich die Tür. Karl ging in die Gruft.
    » Komm«, sagte er.

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