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Gott-Poker (German Edition)

Gott-Poker (German Edition)

Titel: Gott-Poker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Scholz
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begann in meinem Kopf ein Film zu laufen. Er lief parallel zu dem Film, der ohnehin lief und gerade in die entscheidende Phase kam, ein abendlicher Spaziergang, untergehakt, in einer sonnigen Stadt, viel versprechend. Solche Spaziergänge gab es schon viele in der endlosen Geschichte der Schaumschläger. Man könnte sich langweilen, bei diesen Geschichten, denn ihr Ende ist sehr vorhersehbar und geradezu unausweichlich. Dieser Film wird also vorübergehend ausgeblendet und wie auf ein Kommando beginnt der zweite Film parallel zu laufen.
    In diesem Parallelfilm ist del Toro ein Steiff-Tier. Das soll nicht heißen, dass sie tot ist. Ich könnte es nicht ertragen, wenn del Toro tot wäre, das hätte einen unmittelbaren Riss jeglicher laufender und au sgeblendeter Filme zur Folge. Del Toro ist nicht tot.
    Im Gegenteil, als Steifftier ist sie höchst lebendig. Angefüllt mit Träumen, die sie nicht erfüllen muss. Sie liegt, steif und beinahe gefroren, in meinem Schoß. Sie hat sich an der Pfote verletzt. Ich kann nicht recht erkennen, wo wir uns befinden.
    Irgendjemand ist wohl tot. Es fühlt sich so an. Aber es ist nicht die Katze, das erlaube ich nicht. Das Licht flackert. Es ist kalt. Erst jetzt merke ich, wie alleine ich mich gefühlt hatte. So alleine wie eine Staubflocke im Ozean, so alleine, dass es mich nach innen wegzog in einem lautlosen Sog aus hilflos flatterndem Herbstlaub, so alleine, dass ich mich nur mit Mühe aufrecht halten konnte. In meinen Handgelenken manifestierte sich die Einsamkeit zu einem nervösen Kribbeln, doch jetzt, wo del Toro endlich da ist, fühle ich mich langsam wohler. Meine Kehle ist trocken, als hätte ich zuviel geredet, und mein Gesicht ist nass von Tränen. In meinen Ohren rauscht es.
     
     
    Der Doktor schüttelte mich. »Das war zuviel für Sie. Ich bringe Sie jetzt ins Hotel.«
    » Nein«, sagte ich und griff nach seinem Arm. »Bitte«, sagte ich, »nicht. Ich will nicht ins Hotel. Bitte nicht. Ich will nicht alleine sein.«
    Es klang merkwürdig.
    »Okay, okay«, sagte der Doktor. Er ist wirklich ein verträglicher Mensch. Hysterische Frauen scheint er gewöhnt zu sein. Er ließ sich gar nicht beeindrucken.
    Er nahm meine Hand und führte sie zu seinem Mund. Seine Lippen auf meinem Handrücken ber uhigten mich augenblicklich. Kein Parallelfilm mehr. Alles normal.
     
    »Was wünschst du dir?« fragt der Doktor und streicht mit dem Finger über meine Stirn. Das könnte eine heikle Frage sein, ›was wünschst du dir‹. Aber der Doktor muss nur ›laugh‹ sagen und man denkt sofort an love . Das liegt nicht nur am Gleichklang der Worte. Es liegt am Schaumschlägerblick des Doktors. In diesem weichen Blick fühlt man sich ganz verloren. Der Blick gehört zur Schaumschlägermanier, das ist eine Tradition, dieser schmachtende, verletzliche Blick: give me a little love.
    I don’t like little things, doctor . Das sage ich dem Doktor nicht, denn das würde er wenn überhaupt nur falsch verstehen. Ich stand auf und wickelte mich in ein weißes Laken. Ich ging ins Badezimmer, schloss die Tür hinter mir und setzte ich mich auf den Rand der Badewanne. Mir wird ganz schlecht von diesem Blick. Als hätte ich einen Liter süße Sahne getrunken.
     
    Bis dahin, bis zu diesem Moment, wenn man nackt, in ein weißes Laken gehüllt, auf dem Rand der Badewanne sitzt, ist alles geregelt. Es geht alles mehr oder weniger von selbst. Es gibt einen Einsatz, no laugh, Versatzstücke eines immer gleichen Spiels, das auf egal welchen Umwegen immer dasselbe Ende zu nehmen pflegt, eine Reaktion auf den Einsatz, und so weiter. Dann kommt der Auftakt zum Finale, in diesem Fall eine tote Katze, wenn auch eine merkwürdige Katze, das muss man dem Regisseur für dieses Mal zugutehalten, und alles ist gelaufen. Vorherbestimmt und im Wesentlichen nicht zu ändern. Durchkomponiert.
    Dann jedoch wird es interessant. Man sitzt in ein Laken gewickelt auf dem Rand einer pistaziengrünen Badewanne, wie ein Held, der nach dem Abspann unversehens immer noch da ist. Die Tür des Bad ezimmers geht direkt zu einem Schlafzimmer, worst case , also kann man nicht mehr hinaus. Im Schlafzimmer steht ein Bett. In dem Bett liegt ein Doktor. Der Doktor hat einen Schaumschlägerblick. Ich erwog, mich durchs Fenster abzuseilen. In ein Laken gewickelt durch die dunklen Gassen schleichen. Barfuß.
     
    Nicht aus dem Fenster abseilen. Den Wasserhahn aufdrehen und das Wasser laufen lassen, damit es nicht so still ist. Mit der Hand

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