Gott-Poker (German Edition)
Klara folgte ihm. Sie erschrak.
» Ich bin auf etwas Weiches getreten!«
» Ruhig. Das ist eine Rose!«
» Wie kommen nur all die frischen Rosen hier her?«
» Ich weiß nicht. Ich wüsste zu gern, was wir hier machen. Komm, wir gehen da hinunter.«
» Sieh nur!« rief Klara, »da vorne ist del Toro!«
Del Toro war durch den hohen Schnee gestapft, in den sie immer wieder einsank, bis sie den Eingang einer Gruft erreichte. Sie hatte sich durch die Gitterstäbe gezwängt und war mit der Pfote auf einen Dorn getreten. Es tat weh. Sie schnupperte am Boden und roch den Duft einer frischen Rose, die dort lag. Sie sprang einige alte Treppenstufen hinunter, und überall lagen rote Rosen gestreut. Der Boden war steinig und gefroren, aber die Rosen waren frisch und nicht kalt.
Del Toro blieb stehen , um ihre blutende Pfote zu lecken. Da hörte sie hinter sich Karl und Klara die Gruft öffnen. Die Katze hatte überhaupt keine Lust, die beiden zu sehen, und lief weiter, ohne sich umzuwenden.
Es wurde kälter und kälter. Die Luft war abgestanden. Der Ruß von Fackeln hatte lange, schwarze Striemen an die lehmigen Wände geworfen. Das Schluchzen war verstummt. Nur noch Wasserrauschen und das hallende Geräusch der Steine, die Karl und Klara hinter ihr lostraten.
» Nach links oder nach rechts?« fragte Klara. Ihre Stimme klang heiser.
» Ich weiß nicht«, sagte Karl. »Ich glaube, del Toro ist da lang gelaufen. Sie folgt den Rosen. Das Wasserrauschen hat aufgehört. Hörst du noch was? Es ist so ruhig geworden.«
Von der Wand bröckelte ein Stein. Tief in einem der Gänge zuckte die Katze zusammen. Das G eräusch hallte durch die Gruft. Wieder war ein leiser Gesang zu hören, der von irgendwo vor ihr zu kommen schien. Die Katze kletterte über Geröll und ging einen langen, dunklen Gang entlang. Dann bog sie um eine Ecke und stand in einem Raum, der sich nach hinten öffnete und höher werdend den Blick auf eine Art Altar freigab. Brennende Fackeln warfen Schatten an Wände, bedeckt mit Spinnweben, dick wie Watte. Die Luft war stickig und roch nach Petroleum. Es war eisig kalt, viel kälter als draußen. Überall, auf dem Boden und in den Mauernischen, kauerten reglos Katzen und schienen zu schlafen.
Auf dem Altar lag ein Mensch. Er war in eine alte Decke gewickelt und schien tot zu sein. Die Decke war zu klein für ihn, die Füße und der Kopf scha uten heraus. An seiner Seite saß eine Frau. Sie saß mit dem Rücken zu del Toro, die deshalb das Gesicht nicht sehen konnte. Doch die Katze hörte deutlich die Stimme der Frau, die ein getragenes Lied sang, als trauere sie um eine verlorene Liebe oder ein verspieltes Leben. Dann hörte sie noch eine andere Stimme.
Del Toro bahnte sich vorsichtig einen Weg durch ihre schlafenden Artgenossen. Als sie aus Versehen eine der Katzen streifte, zuckte sie zusammen. Das Fell des Tieres war eiskalt. Sie ging um die Frau, die in ein weißes Tuch gewickelt war, herum und sah sie an. Das Tuch war voller Erde, und ihr Gesicht war mit einem Gemisch aus Schmutz und Tränen verschmiert. Als sie die Katze sah, hörte die Frau auf zu singen.
» Toro«, flüsterte Maria und streckte die Hand nach ihr aus. »Es ist so gut, dass du da bist.«
Gestern Abend bin ich mit dem Doktor , eingehakt an seinem Arm, durch die sommerlich leuchtende Stadt gelaufen. Der Doktor hat eigentlich keinerlei heikle Fragen gestellt. Er scheint ein ganz verträglicher Mensch zu sein. Eine Katze kam ihm zu Hilfe! Eine Katze kam mir zu Hilfe. Der Tod kam uns zu Hilfe. Der Tod , schoss mir in den Sinn, das ist, wenn von der Zukunft nichts mehr übrig ist , und während ich noch überlegte, woher dieser Satz plötzlich kam, wurde mir schwindelig.
Die Katze lag tot und steif, mit zum Himmel gestreckten Beinen und weit geöffneten Augen, in e inem Kellerfenster, und starrte uns an. Es sah aus, als wäre sie in dieser merkwürdigen Pose gefroren, aber das dürfte in diesem Klima wohl kaum möglich sein. Der Tod hatte sie, in Ermangelung besserer Ausdrucksmöglichkeiten, einfach eingesteift. Er hatte Erfolg damit. Es sah hochdramatisch aus, und in meiner Schaumschlägermanier dachte ich natürlich sofort an del Toro, obwohl diese Katze überhaupt nicht wie del Toro aussah. Sie war braun und schmutzig, del Toro ist weiß und putzig.
Mein Herz, in Ermangelung besserer Ausdrucksmöglichkeiten, krampfte sich zusammen. Der Doktor umfasste mich, und als wäre das der Einsatz gewesen,
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