Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gott-Poker (German Edition)

Gott-Poker (German Edition)

Titel: Gott-Poker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Scholz
Vom Netzwerk:
die Hand hin, damit sie aufstehen konnte. Sie schüttelte den Kopf. Sie schien etwas jünger a ls ich zu sein, vielleicht Anfang zwanzig. »Ich kann das alleine«, sagte sie. In einer schlangengleichen Bewegung warf sie sich herum und robbte zum Rahmen der Küchentür, an dem sie sich aufrichtete und schließlich leicht schwankend vor mir stand. Sie versuchte sich das Haar aus dem Gesicht zu streichen, beschmierte sich aber nur mit Erde. Wieder hielt ich ihr die Hand hin, und diesmal packte sie sie mit einem klammernden Griff und schüttelte sie heftig. »Sie wundern sich sicher, warum ich hier mitten in der Nacht am Boden herumkrieche«, sagte sie. Da wurde mir bewusst, dass ich noch gar nichts gesagt hatte. »Ja, ein bisschen vielleicht«, sagte ich, und musste lachen: »Du wirst dich sicher auch wundern, was ich hier mitten in der Nacht in einem Laken mache«, sagte ich und bereute es sofort. Doch sie schüttelte ernsthaft den Kopf.
    » Ach nein, ich dachte mir schon, dass Sergej Sie bald mit nach Hause bringt.«
    » Ach so«, sagte ich. Auf dieses Thema wollte ich nicht weiter eingehen. »Können wir uns nicht duzen?« fragte ich. »Klar«, sagte sie.
    » Und warum kriechst du nun mitten in der Nacht hier am Boden herum?«
    » Die Katzen«; sie wies mit einer ruckartigen Kopfbewegung zu den Hügeln hin, »die Katzen sind unruhig. Normalerweise gehen sie abends hinauf zum Turm, aber seit ein paar Tagen sind sie auch nachts unterwegs. Heute Nacht haben sie die Töpfe heruntergeworfen.« Ich sah über das Geländer der Veranda ins dürre Gras hinunter. Es begann hell zu werden. Ein Stück entfernt begann ein kleines Wäldchen. Vereinzelt zirpten schon die Zikaden. Im Gras unter der Veranda lagen lauter Tontöpfe, einige von ihnen zerbrochen, die Pflanzen und Erde, die darin gewesen waren, wüst auf dem Boden verteilt. »Die Katzen haben – das hinuntergeworfen?« fragte ich und ließ den Blick zu den massiven Eisenhaken in der schwarz lackierten Brüstung wandern. Sie waren noch an Ort und Stelle, aber die Karabiner, an denen die Töpfe gehangen hatten, waren offenbar kein Hindernis gewesen. »Das muss einen Riesenlärm gemacht haben«, sagte ich. Chiaras Kopf zuckte ein paar Mal hektisch zur Seite. Dann verstand ich: Sie nickte.
    » Unglaublich«, sagte ich. »Sind sie dagegen gesprungen?«
    » Ich weiß nicht«, sagte Chiara. »Ich hörte nur den Lärm, aber bis ich hier war, waren sie schon weg.« Ihre Stimme klang, als wäre in ihrer Kehle ein Muskel gerissen. Ich fühlte mich merkwürdig berührt und wunderte mich gleichzeitig über die tiefe Zuneigung, die ich zu ihr empfand. Sie drehte sich leicht am Türrahmen. »Und sehen Sie... sieh mal da vorne«, sagte sie und deutete an der Hauswand entlang, »sie haben die Rosen kaputtgemacht. Alle Rosen.« Ich ging an die Brüstung und sah auf einen liebevoll angelegten Rosengarten. Doch irgendetwas stimmte nicht. An den schweren Büschen mit vollem Blattwerk fehlten die Blüten. In der Dämmerung war es nicht sofort zu erkennen, doch dann sah ich, dass der ganze Boden mit Rosenblüten bedeckt war.
    » Ich weiß nicht, ob Sergej es dir erzählt hat, aber die Katzen hier sind... etwas anders als gewöhnliche Katzen«, sagte Chiara hinter mir. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie seinen Vornamen benutzte, verursachte einen Schauer auf meiner Haut.
    » Wir waren oben an der Ruine«, sagte ich, als wäre das eine Antwort, und drehte mich zu ihr um. Plötzlich war es mir unangenehm zugeben zu müssen, dass der Doktor mir nicht erzählt hatte, was es mit den Katzen auf sich hatte. Wieder ruckte Chiaras Kopf zur Seite. »Soll ich uns einen Kaffee machen?« fragte sie unvermittelt, und als ich bejahte, warf sie sich auf alle viere und verschwand mit raschen Bewegungen in der Küche. Ich hob den schweren Terrakottatopf auf und folgte ihr. Sie hatte sich an der Küchenanrichte hochgezogen und den Lichtschalter gedrückt. Der Schein der Glühbirne verdrängte das stärker werdende Morgenlicht. Das Zwielicht in der kleinen Küche verursachte ein unangenehmes Ziehen in meiner Wunde. Chiara band sich das Haar am Hinterkopf zusammen. Nun sah ich sie zum ersten Mal richtig. Ihre dünnen Ärmchen hantierten schnell und abgehackt mit Kaffeepulver und Espressokanne. Sie stand an den Herd gelehnt, auf Beinen, die ausschließlich aus mit Haut überzogenen Knochen bestehen zu schienen. Die Beine waren in sich verdreht. Sie war im Nachthemd. An den Hand- und Fußgelenken trug sie dicke

Weitere Kostenlose Bücher