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Gott-Poker (German Edition)

Gott-Poker (German Edition)

Titel: Gott-Poker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Scholz
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voller Sand und in der Flasche schon wieder lauter Bläschen. Sein Gesicht wie ein Fresko, der Sand hatte sich ihm in die Haut gebohrt, in mehreren Schichten, von denen nur die äußeren jetzt herunterrieselten, als er die Flasche an den Mund hob und trank.
    Lass uns heiraten, denke ich und muss lachen, denn er sieht mich an, als hätte ich es laut gesagt.
     
    Karl wurde aus seiner Lektüre gerissen. Vor ihm stand, mit dem Rücken zu ihm, ein kleines, dickes Kind mit schweren blonden Locken. Schon seit längerem, wie es Karl schien, rief es mit einer dünnen Kinderstimme: »Lii-se, Lii-se, wo bii-st du?«
    »Ja-a, was ii-st denn?« fragte jetzt eine hohe, dü nne Stimme von oben. Karl sah nach oben. Zwischen den Stäben eines Balkons im dritten Stock war ein kleines Mädchen aufgetaucht.
    »Lii-se«, sagte das Kind vor ihm wieder und ve rstummte. Es drehte sich um und sah Karl prüfend an, unsicher, ob es weiterreden durfte. Karl lächelte. Das Kind strahlte zurück, drehte sich wieder um und rief: »Lii-se, gehn wir zusammen hinaus heut in der Nacht?«
    »Neein«, rief es quengelnd vom Balkon zurück, »ich will nicht mit dir zusammen hinaus gehn heut in der Nacht!«
    Karl sah das Kind an. Das Mädchen hatte sich zu ihm umgedreht. Aus ihren weit aufgerissenen Augen quollen dicke Tränen und rollten über seine Wangen. Es verbarg das Gesicht hinter den dicken Kinderfingern.
     
     
     
     
    »Aber wissen Sie«, sagte Klara, die der Doktor im Nachthemd aus dem Krankenhaus geholt und eilends in die Wohnung der Baronin gebracht hatte, wo sie nun am Esstisch saß und schwarzen Tee trank, den die Baronin hatte servieren lassen, während sie selbst wie erfroren am Tisch saß und Klara anstarrte,  »Aber wissen Sie«, sagte sie und strich sich mit den Fingern über die Stirn, »manchmal bin ich mir nicht so ganz sicher, ob es mich überhaupt gibt. Es gibt Phasen, da komme ich nachher zu mir und fühle mich, als wäre ich einfach gar nicht da gewesen, das ist wie eine Leerstelle zwischen den Kapiteln in einem Buch. Es hat schon irgendeinen Zusammenhang, aber der scheint mir willkürlich unterbrochen zu sein und nicht immer ganz schlüssig, und ganz oft sind da leere Stellen, die irgendwie einfach nicht ausgefüllt sind, als wäre ein Maler zu faul gewesen, sein Bild fertig zu malen, und auf der Leinwand wären weiße, unbemalte Flecken mitten zwischen der ganzen Farbe. Oder als hätte ein Schriftsteller keine Lust, sein Buch so zu schreiben, dass man es versteht, weil es mühselige Arbeit ist, die ganzen Teile zu verknüpfen und Gespräche zu erfinden, die die Handlungen motivieren oder umgekehrt. Genau so fühle ich mich: als hätte jemand vergessen, mein Leben bunt zu malen oder es vollständig zu erfinden. Als bestünde ich aus lauter melodramatischen Bruchstücken. Das einzige was manchmal hilft, ist ein Herz, das ich...« Klara fühlte in ihrer Tasche nach dem grünen Papierherz.
     
    »Es ist nicht so schlimm«, sagte Klara erstaunt, als sie sah, dass der Baronin die Tränen über die Wangen liefen. »Es ist nicht so schlimm, es ist vielleicht nur irgendein Defekt in meinem Gehirn, wissen Sie, ich kann mich vielleicht einfach an manche Sachen nicht erinnern.«
    Die Baronin schnäuzte sich in ein weißes Stofft aschentuch, das sie unter dem Tisch gefunden hatte. Ihre Augen waren rot umrändert. »Mein armes Mädchen«, flüsterte sie, »mein armes Mädchen.«
    »Ich verstehe schon wieder nichts«, wandte Klara sich an den Doktor, »verstehen Sie, ich verstehe nicht, warum ich hier bin. Es ist schon wieder so eine Leerstelle in meinem Kopf. Ich begreife den Z usammenhang nicht. Und ich begreife schon gar nicht, wer Sie eigentlich sind.«
    In diesem Moment wachte del Toro aus ihrer t otenähnlichen Starre auf. Sie sah verwundert um sich. Dann stand sie langsam auf, streckte sich und ging um das Klärchen herum.
    Klara kniff sich in den Arm.
    »Was soll das denn nun auch noch heißen! Was macht denn del Toro hier? Ist das wieder einer dieser blödsinnigen Träume? Wer sind Sie?«
    »Ruhig«, sagte der Doktor. »Wie kommen Sie d arauf, dass das del Toro sein könnte?« Dann blieb sein Blick an der Katze hängen und er wurde er bleich. Seine Stimme wurde hart.
    »Ist das wirklich del Toro?« fragte er die Baronin.
    »Ja«, schluchzte die Baronin, »ja, das ist wohl del Toro. Sie – sie wurde bei mir abgegeben.«
    »Also das verstehe ich nicht«, sagte der Doktor und wischte sich aufgeregt mit dem Ärmel über das Gesicht.

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