Gott-Poker (German Edition)
erkennbar war. Am Fenster saß del Toro und sah entsetzt aus.
»Klara!« rief Karl, »was in aller Welt –«
Klara riss die Arme nach oben. Sie war vollkommen versunken gewesen. Beinahe hätte sie sich mit der Schere ins Gesicht gestochen.
»Karl – was?«
»Was zum Teufel machst du denn da!«
»Sieh mal«, sagte Klara stolz, »sieh mal, was ich gemacht habe.«
Vor ihr, mitten zwischen den Papierresten, lag ein großes, zusammengesetztes Bild. Klara hatte aus den Zeitschriften und Büchern Bilder und Texte ausgeschnitten und sie übereinander und ineinander gelegt.
»Ich hatte keinen Kleber«, sagte sie entschuld igend und versuchte sich vorsichtig aufzurichten. »Man muss es vorsichtig und gut behandeln, sonst geht es kaputt«, sagte sie.
»Was ist das?«
»Na, das bin ich«, sagte Klara, stolz und verwundert zugleich. »Siehst du das denn nicht: hier, der Kopf, ein Schädel aus einem Bericht über diese perverse Ausstellung, mit den Haaren von irgendeinem Model. Innen drin dieses Neonlichtgeflecht, das war aus einer Autowerbung, glaube ich. Das sah so schön regelmäßig aus, dass ich dachte, es wäre bestimmt gut, so regelmäßige Gehirnwindungen zu haben, die zudem auch noch so schön leuchten. Wie findest du es?«
»Großartig«, murmelte Karl.
»Hier, in meinem Bauch ist sogar Kaviar«, sagte Klara begeistert und zeigte auf ein Bild mit appetitlich vor frischen Zitronenscheiben und einem Strauß frischer Petersilie angerichteten Schälchen mit rötlich schimmernden Kügelchen. Im Hintergrund war eine Flasche Champagner zu erkennen, die allerdings in der Mitte abgeschnitten war und nahtlos überging in ein wildes Gewirr aus rosaroten Plüschtieren, einem Gespensterschloss von Playmobil, einer Katzensammlung, die wohl aus irgendeinem Zuchtkatzenkatalog stammen musste. »Warum hast du denn lauter Tiere und so in dir drin?« fragte Karl.
»Ja, ich weiß nicht, darüber habe ich noch nicht ausreichend nachgedacht«, sagte Klara, »es schien mir irgendwie interessanter als Adern voller Blut. Zumal ich keine gefunden habe. Das einzige Blut, das ich finden konnte, war das hier, aus der Zah npastawerbung«, sagte sie und zeigte auf den Hals, wo eine blutige Wunde zu sehen war, frisch gebissen von einem strahlend weißen Vampirgebiss. »Weiß in alle Ewigkeit, weißt du noch?«
»M-hm«, sagte Karl, »weiß ich noch. Aber die Bücher«, sagte er, »Klara, was hast du nur mit den B üchern der Baronin gemacht?«
»Hier«, sagte Klara, und wies mit der ausgestrec kten Hand auf das Herz. Das Herz war als einziges an dem Bild dreidimensional geraten.
»Alles, was ich gerne in meinem Herz drin hätte, habe ich in Herzform aus den Büchern ausgeschnitten. War gar nicht so leicht, die richtigen Stellen zu finden, und dann musste ja auch die Größe stimmen, damit es nicht einfach nur ein flacher Haufen Papier bliebe, sondern zuerst die ganz kleinen Herzen, die immer größer werden, bis in der Mitte die Hauptsache steht, und dann mussten sie wieder kleiner werden, nach der anderen Richtung, verstehst du?«
»M-hm«, sagte Karl, »verstehe ich.«
»Nun beruhige dich doch, Serjoša«, sagte die Baronin mit zittriger Stimme. Ihre geröteten Augen waren hinter einer riesigen schwarzen Sonnenbrille versteckt.
»Ich bin mir ja nicht einmal sicher, ob das übe rhaupt del Toro ist! Gedacht habe ich es mir schon, aber dann dachte ich, das wäre doch ein zu großer Zufall. Ehrlich gesagt bin ich überhaupt nicht dazu gekommen, viel zu denken. In letzter Zeit überschlagen sich die Ereignisse. Ich kann es dir nicht so einfach erklären.«
»Dann versuch es!« brüllte der Doktor.
»Also...«, sagte die Baronin und nestelte an ihrer Brille herum, »also... ich kenne da einen... eben... einen Mann... und der hat sie mir mitgebracht. Einfach mitgebracht, verstehst du? Ich konnte gar nichts dafür. Er sagte nur, er hätte eine Katze, die er nicht allein lassen wolle, und deshalb würde er sie mitbringen, und natürlich ahnte ich nicht, dass es del Toro sein könnte. Erst vorhin, als ich sie da so sitzen sah, und Karl – so heißt mein junger Freund – einfach weg war und mir die Katze dagelassen hatte, da habe ich mir gedacht, dass sie aussieht wie del Toro. Aber dann kamst auch schon du, und ich habe es vergessen, es schien so unwahrscheinlich. Und es ist ja auch unwahrscheinlich, denn müsste sie nicht... längst... ich meine... ich habe schrecklichen Hunger«, sagte die Baronin. »Was hältst du
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