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Gott-Poker (German Edition)

Gott-Poker (German Edition)

Titel: Gott-Poker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Scholz
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Witz. »Hier in den Fellen, in denen du jetzt liegst, haben sie es getrieben«, gluckste die Stimme, »wild getrieben. Sie wurden geradezu abhängig voneinander. Natürlich ließ es sich nicht lange geheim halten.
    Franziska und Sergej blieben ruhig und versuc hten sich nichts anmerken zu lassen. Sie duldeten es und versuchten ihre Arbeit fortzuführen. Manchmal, wenn es sehr schlimm wurde, wenn sie zu laut wurden oder wenn sie tagelang nicht mehr aus dem Zimmer kamen, klopfte Franziska an Sergejs Tür, und sie gingen in den Garten hinaus. Sie lagen unter den blühenden Bäumen, dort draußen im Schein der Laterne, die Kirschblüten fielen auf sie herunter, und sie hielten sich an den Händen, ganz fest und mit wild klopfenden Herzen.
    Magdalena tat es weh zu sehen, wie sehr Sergej darunter litt, und sie bewunderte ihn dafür, dass er sie ließ. Er wusste, er könnte sie nicht zurückholen, und wenn doch, dann nur, indem er sie in Ruhe ließ. Er konnte nichts tun, und auch sie konnte nichts tun. Niemand konnte etwas tun.
    Wenn Nicolas müde war, oder er eine seiner Launen hatte und tagelang im Keller oder in der Stadt verschwand, machte Magdalena ihre Arbeit weiter, sie forschte hier in diesem Zimmer mit den Tieren, die sie aufschnitt und abzog und konservierte, sie nahm die Organe heraus und untersuchte den Zusammenhang zwischen Blutlaufbahn, Organen und Haut. Sie untersuchte die Beschaffenheit des Blutes bei den Toten, und bei denen, die länger lebten. Eines Tages stellte sie fest, dass ein erhöhter Sauerstoffspiegel zu gesteigerten Lebenskräften führte. In einem ihrer geistesabwesenden Zustände hatte sie eines Tages ihre Sauerstoffmaske abgenommen und sie del Toro vor die Nase gehalten. Del Toro war eine Katze, eine kleine weiße Halbperserkatze, die sie eines Tages vor der Tür in einem Korb gefunden hatten, mit einem Zettel, dass ihr Name del Toro sei; man müsse sie nur noch taufen. Nicolas hatte aus der Taufe ein riesiges Aufhebens gemacht, wie ein Irrer war er draußen über das Lagerfeuer gesprungen, begleitet von dem Nerven zerfetzenden Gitarrengekreische dieses entsetzlichen Liedes, das er dauernd anhörte, und das ununterbrochen blechern aus seinem alten Kassettenrekorder dröhnte – die Stimme schüttelte sich wie ein nasser Hund – hatte Rotwein aus einer Flasche in Richtung der kleinen Katze geschüttet und unablässig ihren Namen gebrüllt.
    Del Toro war eigentlich nur zufällig bei Magdal ena in der Kammer, sie ließen sie frei draußen herumlaufen, sie schlief sogar mit ihnen oben im großen Bett, doch nun atmete sie eine Weile den Sauerstoff ein, bis sie sich entwand und aufs Fensterbrett sprang, gegen die Scheibe knallte, zu Boden fiel, zur Tür raste, gegen das Holz sprang und sich schließlich sogar gegen die Glasscheiben der Regale warf, bis Magdalena aus ihrer Trance erwachte und sie einfing. Sie zwang sie, sich ruhig zu halten, und entnahm ihr eine Blutprobe. Sie brachte die Katze, die immer noch wie wild geworden im Zimmer herumjagte, nach draußen, und betrachtete das Blut im Mikroskop. Ein erstickter Aufschrei kam über ihre Lippen. Dann verließ sie das Zimmer und blieb über Nacht draußen auf der Terrasse sitzen. Am nächsten Tag räumte sie den unteren Teil der verglasten Regalwand frei, sperrte einen Haufen Tiere darin ein und blieb den ganzen Tag davor sitzen, um langsam eine ganze Flasche Sauerstoff hineinzuleiten. Die Tiere rasteten aus. Immer wieder nahm Magdalena eines heraus, schlachtete und untersuchte es. Gegen Abend wurden die Tiere ruhiger, und schließlich lagen sie alle wie tot am Boden.«
     
    Die Stimme hielt inne; Klara vernahm erneut ein Geräusch, als würde ein großer Hund Wasser aus seinem Fell schütteln.
    »Sie war sich noch gar nicht sicher gewesen, als sie eines Tages blutverschmiert und völlig überanstrengt beim Abendessen saß. Ich sehe sie noch vor mir. Nicolas war irgendwo verschwunden, schon seit ein paar Tagen, und sie saßen zu dritt um den Tisch. Franziska las während des Essens in einem Buch und steckte sich geistesabwesend ab und zu eine Gabel mit Essen in den Mund. Franziska und Sergej hatten den Nachmittag draußen verbracht, del Toro war die ganze Zeit mit ihnen mitgelaufen. Sie waren auf den kleinen See hinausgerudert, Sergej hatte die Angel ins Wasser gehalten und tatsächlich etwas g efangen. Als sie zurückkamen, fröhlich und befreit, del Toro mit aufgestelltem Schwanz um ihre Beine wuselnd, war Magdalena ihnen entgegengewankt, und

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