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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
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einen Unterschied zwischen Erklärung und Rechtfertigung.«
    »Jetzt ist keine Zeit mit spitzfindigen Interpretationen zu vertrödeln!« schrie Plageot. »Erklären Sie sich also.« Latille sprach leise und leicht amüsiert. »Ich erinnere mich an das erste Mal, als Zvoinitch in mein Büro kam. Damals nannte er sich Zbigniew. Es war 1946, und in Paris wimmelte es von alliierten Generalen. Damals war ich überwältigt von seiner Ehrlichkeit. Er erzählte mir, er könne nicht der Versuchung widerstehen, Anschläge auf das Leben ausländischer Würdenträger zu verüben. Ich dachte, ich sollte ihn zum Psychiater schicken, aber irgendwie kam es mir verrückt vor, die Schwächen eines Mannes von über siebzig kurieren zu wollen, die sich laut seiner Akte zu einer unausrottbaren Gewohnheit verhärtet hatten. Wäre er ein junger Mann gewesen, ich hätte nicht gezögert. In Anbetracht seines Alters aber beschloß ich, ihn nach Korsika zu schicken. Zugegeben, ich wurde etwas mißtrauisch, als er plötzlich fünf Freunde vorstellte, die alle an der gleichen sonderbaren Versuchung litten. Nun, was wir am wenigsten gebrauchen konnten, war ein toter Diplomat oder General im Haus, besonders zu einer Zeit, als wir unser Möglichstes taten, um unser geschlagenes Land attraktiv zu machen für die Touristen. Nach einiger Zeit war ein gewisses Maß an Stabilität wiederhergestellt, und die alten Leutchen durften nach Frankreich zurückkehren.
    Dann kam irgend jemand wie Molotov nach Paris – habe vergessen, wer’s genau war –, aber plötzlich war die Stadt voll von russischen Sicherheitsbeamten mit erschreckend vollständigen Listen, wen sie alles beseitigt haben wollten. Wenn sie das Wort >beseitigt< gebrauchten, meinten sie, wie ich fürchte, unwiderruflichere Maßnahmen als die bloße Verschickung nach Korsika. In meinem Eifer, den Russen zu beweisen, daß ihre Listen alles andere als vollständig wären, schickte ich unsere sechs Freunde abermals demonstrativ über See. Ich brauchte sie nicht zusammenzutrommeln. Wie immer stellten sie sich von selbst, und in Anwesenheit von General Serov konnte ich den Russen in meinem Büro beweisen, daß Opposition gegen das Regime in einer Demokratie eine Bürgertugend darstellt.
    Als Tito kam, wiederholte sich der gleiche Vorgang, und abermals, als Adenauer seine Aufwartung machte. Dann tauchten sie eines Tages ohne besonderen Grund auf. Ich fragte sie, welchem Umstand ich das Vergnügen ihres Besuchs verdanke – und es war wirklich ein Vergnügen, Plageot, das versichere ich Ihnen. Diese Leute vereinigten in sich Emotion und Spaß, wie gute Clowns es tun. Kurz, sie waren eine Erholung von dieser trostlosen Parade verbissener, häßlicher, uncharmanter Gestalten, die tagtäglich unsere Aufmerksamkeit beanspruchen. Ohne mit der Wimper zu zucken erklärten sie, daß der Schah von Persien in Frankreich erwartet werde. Ich lachte. >Sie werden doch nicht behaupten<, sagte ich, >Sie wollten den armen, wehrlosen Schah ermorden. Er hat schon genug Schwierigkeiten, Öl aus der Erde zu buddeln; er braucht nicht noch Schwierigkeiten von Ihnen.<
    An diesem Punkt ergriff Zvoinitch das Wort. Er ist ihr Sprecher. Seine Augen leuchteten mit so offenherziger List, daß es rührend war. >Schlagen Sie nach in Madame Perlescus Akte<, sagte er. >Und sehen Sie, was im Spätsommer 1912 passierte. < Das tat ich. Sie war in Isfahan verhaftet und auf Verlangen der persischen Regierung nach Frankreich deportiert worden, weil sie in der Öffentlichkeit immer wieder Beleidigungen des Herrscherhauses herausgeschrien hatte. >Die Perser waren anscheinend schrecklich empfindlich<, bemerkte ich.
    Scharfsinnig, scharfsinnige berichtigte er. >Sie erkannten eine Gefahr, wenn sie sie sahen. In diesen Ländern ist es nicht üblich, Mordanschläge persönlich auszuführen. Man stiftet vielmehr den Mob an, und der erledigt die Sache kollektiv.<
    Die Geschichte war unglaublich, aber so geistreich vorgetragen, und sie hatten ihre wenigen Habseligkeiten so gewissenhaft gepackt, daß ich nachgab.
    Etwa neun Monate später gingen sie wirklich zu weit. Sie kamen, gepackt und reisefertig, in mein Büro, unter dem Vorwand, der Fürst von Monaco werde erwartet. Ich sagte ihnen, sie sollten nach Hause gehen. Sie beharrten darauf, die Folgen meiner Entscheidung würden entsetzlich sein. Ich antwortete, daß sie meine Freundlichkeit mißbrauchten. Plötzlich schwang Zvoinitch eine riesige Pistole arabischer Herkunft, die er aus seiner

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