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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
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fürchterlich.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Monsieur Latille hat es mir gesagt.«
    Plageot brummte. »Hier gibt es keine Anhaltspunkte dafür«, sagte er.
    »Monsieur Latille hätte doch solche Erkenntnisse nicht erfunden. Warum sollte er?«
    »Frage ich mich auch. Das wär’s, Mademoiselle Pelbec.« Würdevoll ging sie ab und murmelte etwas von Emporkömmling und Undankbarkeit.
    Plageot starrte aus dem Fenster, wo ein Sommertag ausklang. Dann telephonierte er mit einer anderen Abteilung der Sûreté Nationale. Auf seine Frage nach der Ankunft des Imam erfuhr er, daß der Potentat Mittwoch morgen, neun Uhr zwölf, mit Flug 264 der Air France aus Genf kommen und als Gast des Präsidenten der Republik absteigen werde. Grimmig lächelnd legte er den Hörer auf. Er war bereit, die Angelegenheit für den Moment aus seinem Gedächtnis zu verdrängen, als das Telephon klingelte. Der Mann am anderen Ende sagte ihm, er habe eben eine falsche Auskunft bekommen. Der Imam werde nicht im Elysée-Palast absteigen, sondern im Hotel Raphael.
    Plageot fluchte. »Aber sagen Sie mir«, fragte er, »fliegt er von Genf aus und nicht aus Bagdad?«
    »Die Auskunft, die ich Ihnen über den Flug gegeben habe, ist richtig«, sagte die Stimme.
    »Und wohin fährt der Imam nach seinem Besuch in Paris?«
    »Monte Carlo.«
    »Monte Carlo, nicht Marseille?«
    »Nein, nein, Monte Carlo. Der Imam kommt zwar, um das Schicksal seines unterprivilegierten Volkes zu verbessern, aber er selbst ist unermeßlich reich und macht gern ein Spielchen.«
    Plageot lächelte. »Und ich vermute«, fügte er hinzu, »er wird nach Nizza fliegen und von dort mit dem Auto weiterfahren.«
    »Nein«, sagte die Stimme. »Er reist direkt mit dem Train Bleu.«
    »Was? Vielen Dank.« Plageot hängte auf und dachte nach. Von den Fakten, die der Alte geliefert hatte, waren zwei richtig, zwei waren falsch. Verdacht zu schöpfen, war die Aufgabe eines Polizisten. Und doch war es viel leichter, jemanden zu verdächtigen, der den Verdacht zu zerstreuen suchte, als jemanden, der den Verdacht auf sich zu ziehen versuchte. Es wäre schrecklich, wenn der Imam ums Leben käme, in die Luft gejagt durch den traditionellen Blumenstrauß, der in seinen duftenden Tiefen die Höllenmaschine birgt. Sein Gewissen wäre unauslöschlich befleckt, falls so etwas passieren sollte; nie wieder könnte er Mademoiselle Pelbec in die Augen sehen, das war sicher. Verfluchter Zvoinitch! Bei all seiner Unbeholfenheit wußte er, was er tat, als er diese Zweifel wie kleine Kugeln ins Rollen brachte. Er war einfach zu unheimlich, um nicht lächerlich zu sein, aber nicht lächerlich genug, um ganz harmlos zu sein. Plageot ließ sich die Akten der Leute bringen, die Zvoinitch als seine Mitarbeiter angegeben hatte. Ihre polizeilichen Register waren bemerkenswert ähnlich. Alle hatten sie zahlreiche Decknamen.
    Plageot stellte einige schnelle Berechnungen auf seinem Block an und kam zu dem bemerkenswerten Ergebnis, daß ihr Gesamtalter sich auf 508 Jahre addierte, wobei Yahuda Achron mit neunundsiebzig der jüngste der Gruppe war, Madame Perlescu mit zweiundneunzig die älteste. Es wurde immer beunruhigender, immer absurder. Es gab nur einen Schlüssel zu dem Rätsel – Latille. Plageot suchte die Nummer aus seinem Kalender und rief Latille zu Hause an. »Hallo, ist Monsieur Latille zu Hause?« fragte er. Eine Frauenstimme schien zu zögern. »Wer spricht da?«
    »Ambroise Plageot. Sind Sie Madame Latille?«
    »Ja.«
    »Ah, Madame. Hier spricht Plageot, der Nachfolger Ihres Herrn Gemahl. Vielleicht erinnern Sie sich an mich, von der kleinen Party, mit der wir vorgestern die Pensionierung Ihres Mannes feierten. Mich hatte man ausersehen, ihm das Tintenfaß als Andenken zu überreichen.«
    »Ja, natürlich, ich erinnere mich, Monsieur. Das Tintenfaß steht bei uns auf dem Kamin. Es ist ganz wunderschön, wirklich, genau wie Ihre Ansprache.«
    »Ich darf mir schmeicheln, daß ich Glück hatte mit der Wahl meiner Worte. Ist der Herr Gemahl zu Hause, Madame?«
    »Augenblick«, sagte sie.
    Monsieur Latille kam ans Telephon. »Hallo, Plageot. Wie läuft es im Büro, alter Knabe?«
    »Ja, eben, Latille. Ich habe da eine Frage, die nur Sie beantworten können. Hätten Sie einen Moment Zeit, mich zu treffen?«
    »Können Sie’s mir nicht gleich sagen?«
    »Nein.«
    Am anderen Ende entstand eine Pause. »Oh, na gut. Kommen Sie gleich herüber, wenn es so dringend ist.«
    »Danke«, sagte Plageot und fühlte sich

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