Gott und die Staatlichen Eisenbahnen
ihnen, ein vornehmer Herr von dunklem Teint, einen Zusammenbruch erlitt. Er wurde mit Verdacht auf Blinddarmentzündung von Bord geholt. Unter seinem Sitz fand man die Bombe. Er wurde umgehend von den Schweizer Behörden verhaftet, und wie sich herausstellte, war er Mitglied einer arabischen Geheimgesellschaft, die sich verschworen hatte, den entthronten Onkel des Imam wieder an die Macht zu bringen, einen liederlichen Lebemann mit Wohnsitz in Rom. Als die Franzosen von diesen Erkenntnissen benachrichtigt wurden, befand sich die Maschine der Swissair bereits im Luftraum über Paris. Die Schweizer teilten noch mit, daß der verhinderte Mörder, guten Glaubens als Blinddarmpatient eingeliefert, in der Notambulanz des Flughafens das Telephon benutzt und in erregtem Ton arabisch gesprochen habe, als die Polizei eindrang, um ihn zu verhaften. Möglicherweise hatte er erkannt, daß der Imam nicht mit dieser Maschine fliegen würde, und vielleicht hatte er die übrigen Mitglieder seiner Verschwörung davon in Kenntnis gesetzt.
Der französischen Polizei, die auf dem Flughafen Orly patrouillierte, fiel eine verdächtige Gruppe Araber auf, die nervös an der Bar Kaffee tranken und sich verstohlen unterhielten. Plageot marschierte mit Inspektor Lagnon auf und ab, entdeckte aber keine Spur von den Nihilisten. »Hat das Flugzeug Verspätung?« fragte er plötzlich. »Haben Sie nicht gehört?« antwortete Lagnon unauffällig. »Eben wurde eine Nachricht durchgegeben. Man hat an Bord eine Bombe gefunden. Das Flugzeug kommt überhaupt nicht. Der Mann wurde verhaftet, aber man nimmt an, er habe Zeit gefunden, um die übrigen Mitglieder seiner Organisation zu benachrichtigen, daß der Imam auf Le Bourget landet.«
»Was?« schrie Plageot. »Warum haben Sie mir das nicht gesagt?« Er rannte hinaus, winkte seinen Wagen herbei und raste mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung Le Bourget. In Le Bourget traf er ein, gerade als der Imam und sein Gefolge in einer Wolke von Weiß aus der Maschine wallten; ihre dunklen Brillen blickten und strahlten so intensiv wie ihre Zähne.
Inspektor De Valde trat an Plageot heran. »Alles in Ordnung. Eben kam ein Anruf aus Orly. Man hat alle Meuchelmörder verhaftet. Acht insgesamt. Araber.«
»Denkste!« schrie Plageot. Dort in der Menge stand Zvoinitch mit seinen fünf Alten. »Verhaften Sie diese Leute!«
»Weshalb?« fragte der verblüffte De Valde. »Das sind die Attentäter!«
»Aber ich sagte Ihnen doch, man hat angerufen – «
»Tun Sie, was ich sage.«
Diskret wurden die sechs Nihilisten umstellt und fortgeschafft.
Zvoinitch blickte triumphierend. »Oh, bitte lassen Sie mich hören, wie das Ding hochgeht«, flehte er Plageot an, als die kleine Gruppe auf dem Bürgersteig stand. »Welches Ding?« kreischte Plageot und schüttelte Zvoinitch gnadenlos an den Rockaufschlägen.
Zvoinitch klopfte ihm mit einer seiner Krücken schmerzhaft auf die Finger. »Die Bombe«, sagte er. »Wo ist sie?« Plageot rieb sich die Hand. »Werden Sie uns nach Korsika schicken?« Plageot hob den Kopf und sah, wie der Imam und sein Gefolge auf ihren Wagen zuschritten. Von Zollformalitäten wurde im Namen der Gastfreundschaft abgesehen. »Gut, gut«, zischte er. »Aber wo ist sie?«
»Unter dem Hinterrad des Wagens. Wenn der Wagen losfährt – paff!« Zvoinitch machte eine vielsagende Gebärde. Wie der Blitz rannte Plageot los und hechtete unter den Wagen des Imam. Mit einem schwarzen Kästchen in den Händen raste er los wie ein Irrer, gefolgt von zweien seiner Männer, und stürzte auf die Herrentoilette. Zur Verwunderung der alten Wärterin, die dort stand, ließ er ein Waschbecken vollaufen und tauchte den schwarzen Kasten ins Wasser. »Hinaus!« schrie er der Wärterin zu, und seine Männer bellte er an: »Dieses Gebiet abriegeln! Und holen Sie das Bombenentschärfungskommando!«
Auf dem Rückweg nach Paris schwamm er in Träumen von Ehre und Ruhm. Er hörte die Glückwünsche von Ministern, las den Neid in den Augen seiner Kollegen und zitterte vor Erregung über seinen eigenen, unglaublichen Mut. Eine halbe Stunde später saß er an seinem Schreibtisch. Napoleon hätte nicht selbstbewußter sein können, als er die Krone aus den Händen des Papstes ergriff. Die sechs Attentäter wurden ihm vorgeführt. Er bot ihnen keine Stühle an. Besser, wenn sie standen. Er hatte De Valde hereingerufen, als Zeugen seines Triumphes.
»Wie ist der Name Ihrer Kontaktperson in Genf?« fragte er. »Genf? Wir haben
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