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Gott wuerfelt doch 1

Gott wuerfelt doch 1

Titel: Gott wuerfelt doch 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Kreutzer
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benutzt du? Los, wie viele?“, forderte ich ihn heraus.
    „Drei, s-förmig
übereinander geschlagen, und das stets dreimal“, antwortete er und kreuzte die
Arme.
    „Ich auch“, gab ich
mich geschlagen. „Und du machst das mit der linken Hand, nehme ich an.“ Schon
nickte ich vorauseilend dabei.
    „Ja, so hat man es
mir beigebracht. Und unter der Dusche pfeife ich Lieder von Zarah Leander“,
fügte er hinzu.
    „Das ist ja zum
Kotzen. Tust du denn gar nichts, was nur aus dir kommt?“
    „Nein, das ist ja
mein großes Problem. Du bist mein Lehrer gewesen, mein Leben lang, entsprechend
wurde ich konditioniert. Ich bin ein pawlowscher Hund, dem der Speichel fließt,
sobald er deine Glocke hört; ein potemkinsches Dorf, das aus den Steinen deiner
Seele erbaut ist. Ich wurde verwöhnt mit all dem Zeug, was man in dich
hineingestopft hat. Ich habe Kochen gelernt wie du, ich habe Schwimmen gelernt
wie du, und ich habe studiert wie du. Ich war sogar in Italien und Griechenland
wie du. Es ist alles aus einem einzigen Spott heraus geboren. Selbst unsere
Vornamen sind eine Metapher des Zynismus.“ Er schlug sich mit der flachen Hand
auf seinen Oberschenkel. „Und trotzdem: Ich kann nicht leugnen, dass ich dich
in gewisser Weise bewundere, mein Bruder!“, sagte er schließlich.
    „Mein Gott!“,
schrie ich, „was bist du für ein Arschloch! Du kannst doch nicht einfach so
sein wie ich! Was fällt dir denn ein, so etwas zu tun? Ich will nicht, dass du
mich bewunderst. Ich will nicht, dass du mich Bruder nennst. Hat man dich
geklont? Bist du Frankensteins Sohn?“, ätzte ich.
    Zum ersten Mal nahm
ich einen Anflug von Kränkung in seinem Gesicht wahr. Er sprang auf und warf
den Stuhl nach hinten auf den Boden, dass es nur so dröhnte. „Nein!“, schnalzte
er, und ich erkannte, dass ich zu weit gegangen war. „Ich bin genauso aus dem
Bauch unserer Mutter geholt worden wie du. Und das nur wenige Sekunden nach
dir, du aufgeblasener Armleuchter!“, schrie er. „Glaubst du wirklich, ich hätte
das alles freiwillig gemacht? Man hat mich zerstört, mir nie die Chance
gegeben, auch nur den Hauch einer eigenen Persönlichkeit zu bilden. Ich bin
kein Klon, sondern ich bin dein Bruder! Meinst du, ich bin gern eine Kopie von
dir?“ Seine Lippen zitterten jetzt genauso, wie die meinen es kurz zuvor getan
hatten. Und damit wurde ich ruhiger, denn er wurde mir ein Stück vertrauter.
    „Konrad, es tut mir
Leid. Setz dich wieder. Aber bitte versteh mich, es ist nicht einfach, mit
einem Duplikat zu leben.“ In mir bahnte sich wieder so etwas wie Humor seinen
Weg. „Das doppelte Lottchen, ich kann es nicht fassen. Das war mein ...“
    „... dein
Lieblingsbuch als Kind. Ja, ich habe es auch mindestens fünfmal lesen müssen.
Ich kann Kästner nicht ausstehen!“
    „Na, so hart darfst
du nicht mit ihm ins Gericht gehen. Er hatte doch Witz!“, verteidigte ich den
Schriftsteller.
    „In der DDR gibt es
keine Witze!“
    „Wenigstens etwas,
worin wir uns unterscheiden.“ Erst langsam begriff ich, was er gesagt hatte.
„In der DDR? Hast du DDR gesagt?“
    „Ja, DDR! Was
glaubst du, wo man sonst imstande wäre, so was zu tun?“, fragte er gereizt. „
Ach verdammt, du bist der erste Mensch, der mich aus der Fassung bringt.
Walter, ich kann dich nicht leiden!“, rief er.
    „Was ist denn jetzt
los? Erst bewunderst du mich, und jetzt das. Mist!“
    „Du bist ein
arroganter Pinsel“, stellte er kühl fest.
    Ich saß auf dem
Bett, die Arme verschränkt wie eben noch er, und grinste ihn an. „Dazu habe ich
ja wohl auch allen Grund, denn wen sonst haben die Menschen je so perfekt zu
imitieren versucht, außer vielleicht Michael Jackson?“ Wir sahen uns beide an
wie zwei Kampfhunde, und dann zischte er. „Reiz mich nicht! Es gibt da ein paar
Dinge, die ich dir voraushabe, aber ich will sie nicht gegen dich verwenden
müssen.“ Er hatte sich wieder in der Gewalt, und mir schien, dass seine
Anspielung etwas Gefährliches beinhaltete.
    „Du drohst mir?“,
wollte ich wissen.
    „Nein, ich möchte
lediglich, dass du mich respektierst. Und Arroganz ist nie gut für eine
Partnerschaft. Ich werde dir nichts tun, obwohl ich allen Grund dazu hätte.“
Sein letzter Satz traf mich wie ein Geschoss.
    „Was meinst du
damit? Welchen Grund gibt es, dass du mir etwas antun solltest?“, lachte ich
spöttisch.
    Er fixierte mich
und schwieg einen Augenblick lang. Die kurze Zeitspanne ließ mein Herz im Nu
schneller schlagen, das Blut in

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