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Gott wuerfelt doch 1

Gott wuerfelt doch 1

Titel: Gott wuerfelt doch 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Kreutzer
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Rolle
einnehmen.“ Konrad sprach ruhig und überzeugend.
    Erst schwieg ich.
Dann rief ich aufgebracht: „Welche Rolle? Ich spiele keine Rolle!“
    „Hör mir doch
einfach mal zu und registriere, was ich sage. Ich weiß, dass du es kannst, also
wehre dich nicht.“
    Ich verschränkte
die Arme, zog die Brauen nach oben, krümmte den Mund ein wenig und nickte
leicht. „In Ordnung, ich höre.“
    „Wann wurdest du geboren,
Walter?“
    „Am 17. November
1960, hast du das schon vergessen?“ Ich war trotzig wie ein kleines Kind.
    „Bleib sachlich und
werde nicht zynisch, bitte!“ Er sah mich abwartend an, bis ich einverstanden
die Augen schloss.
    „Vater war damals
schon ein bekannter Wissenschaftler. Auf der Fahrt durch die DDR hatten unsere
Eltern an jenem Tag einen Unfall. Du kennst die Geschichte. Es gab da einen
behandelnden Arzt, Böhler hieß er.“
    „Ich weiß, komm
endlich zur Sache!“, forderte ich ungeduldig.
    „Ich bin bei der Sache,
mitten drin. Die DDR hat von jeher Agenten systematisch aufgebaut. Jede noch so
kleine Chance, an westliches Know-how heranzukommen, kam dem Staat gelegen. Der
Zweck war stets erste Priorität, und sie haben dafür keinen Aufwand gescheut,
denn die Geheimdienste standen an oberster Stelle. Sie genossen Unfehlbarkeit.
Kosten und Aufwand spielten nie eine Rolle. Der in der Öffentlichkeit
bekannteste Fall ihres bis zum Äußersten gehenden Perfektionismus dürfte die
Guillaume-Affäre sein, über die Willy Brandt damals gestürzt ist.“ Er brach ein
Stück Brot. „Unser Dr. Böhler witterte einen persönlichen Vorteil und hatte
eine Blitzidee. Vaters Lebenslauf versprach, dass er eine Bilderbuchkarriere
machen werde, und so lag für Böhler nahe, im Falle der Geburt von eineiigen
Zwillingen einen zu behalten.“
    Ich verzog fragend
die Brauen. „Soll das ein Witz sein?“
    „Wart ab. Ich bin
gleich so weit.“
    „Aber unsere Eltern
wussten von der Existenz zweier Kinder im Leib unserer Mutter!“, warf ich
nochmals ein.
    „Und wussten sie
auch, wie diese Kinder aussehen würden?“, fragte er ruhig. Ich spürte, wie mein
Oberkörper zu wanken begann.
    „Walter, bleib
ruhig.“ Er rüttelte kurz meinen Arm. „Für Böhler war das kein Problem, denn
eine Stunde vor unserer Geburt war ein Mädchen tot auf die Welt gekommen.
Mutter hat von unserer Geburt wegen des Kaiserschnitts unter Narkose nichts
mitbekommen, und Böhler tauschte das zweite Kind gegen das tote Mädchen aus.
Und das zweite Kind war ich ...“
    Konrads Pause ließ
mich nicken: Ich verstand. Schlagartig wurde mir übel.
    „Geht’s?“, fragte
er und ich bejahte leise. „Als Böhler von der Krankenschwester hörte, dass die
Eltern dich Walter nannten und die Affinität zu Walter Ulbricht belächelt
hatten, setzte er seinem Zynismus noch eins obenauf und nannte mich Konrad,
nach Konrad Adenauer.“
    Konrad bemerkte,
wie mir das Blut ins Gesicht stieg und ich leise zu lachen begann.
„Entschuldige“, sagte ich kichernd, „aber das ist wirklich zu blöd!“
    Er ermahnte mich
mit seinem ernsten Blick, wartete jedoch meine aus der Verzweiflung geborene
unpassende Lach-Einlage ab und sprach weiter: „Unseren Eltern erzählte Böhler,
das zweite Kind wäre ein Mädchen gewesen. Es wäre tot. Nach dem Unfall schien
das glaubwürdig, und unsere Eltern würden das wohl überstehen. Er holte sich
zuvor grünes Licht bei einem Parteifunktionär, der diesen Coup als Geniestreich
wertete.“
    „Aber wozu das
Ganze, das ist doch völlig absurd!“, rief ich erschüttert.
    „Natürlich ist das
für dich absurd, aber es ergab nach ihrer Logik einen Sinn. In deiner gelernten
Logik ist das schwierig nachvollziehbar, doch wer die Verhältnisse in der DDR
kennt, sagt allenfalls, dass unser Fall ein höchst außergewöhnlicher, aber kein
unglaublicher ist. Ich sollte so erzogen werden, so aufwachsen wie du, eben um
dich eines Tages zu ersetzen.“
    „Und das alles nur
auf Verdacht, jahrelang und ohne Erfolgsgarantie?“ Ich verstand noch immer
nicht, worauf er hinauswollte.
    „Sollte sich die
Vermutung bestätigen, dass unser Vater ein berühmter Mann in einer
Schlüsselposition der Wissenschaft würde, so sollte ich in seine Nähe rücken,
um ihn auszuspionieren. Dieser Zeitpunkt ist jetzt gekommen. Dein Vater ist ein
wichtiger Mann geworden, ein weltweit führender Wissenschaftler in der
Genforschung. Und irgendetwas weiß er, was uns drüben überaus wertvoll ist.
Aber das ist nicht das Einzige.“
    „Es

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