Gott wuerfelt doch 1
ich ihn
an.
„Was ist ein
Faschist, mein lieber Bruder?“, gab er scharf zurück.
„Jemand, der sein
eigenes Verständnis von Recht und Ordnung zum Gesetz erhebt und damit
demokratische Grundprinzipien ablehnt. Abgeleitet vom Begleitzeichen der
Etruskerkönige, dem Rutenbündel mit dem herausragenden Beil, im Lateinischen fasces, das Mussolini und seine Schwachköpfe wieder entdeckt haben, um die Welt damit
zu beglücken“, sagte ich voller Sarkasmus.
„Mein Bruder, ein
wandelndes Lexikon!“, frotzelte Konrad. „Aber in einem eurer Lexika habe ich
auch gelesen, dass Faschismus gleichgesetzt wird mit der Geisteshaltung, den
Sozialismus und den Kommunismus zu unterdrücken.“
Wir waren hier oben
allein. Der Blick reichte bis zum Meer. Ich breitete die Arme aus. „Konrad! Du
darfst bei uns denken, was du willst, auch als Kommunist!“
„Und euer
Radikalenerlass? Eure Hatz auf alles, was links denkt? Euer ewig währender
Glaube an den sich mehrenden Kapitalismus? Ist das nicht krank?“, schrie er.
„Nicht kranker als
eure ewige Gleichmacherei. Du glaubst doch selber nicht, dass alle Menschen
gleich sind!“, erwiderte ich.
„Walter, wie dumm
du doch bist.“ Konrad schüttelte den Kopf, und das tat er nicht aus Arroganz.
„Nicht die Menschen können gleich sein! Niemand hat so etwas behauptet!“,
stellte er ruhig fest. „Es geht um das Nivellement innerhalb einer
Gesellschaft!“ Seine Augen leuchteten, und fordernd streckte er mir eine Hand
entgegen.
„Konrad, aber was
hat deine Gesellschaft daraus gemacht? Unerfüllte Fünfjahrespläne werden
verfälscht, Geburtenzahlen zurecht gebogen, eure Straßenkarten sind erlogen.
Setzt ihr nicht zumindest ein Grundmaß an Ehrlichkeit voraus, um eure Ideen
umzusetzen? Bei euch wird doch vom Einzelnen verlangt, im Sinne der Sache zu
lügen, und dadurch wird das Vertrauen, nach dem sich grundsätzlich jeder Mensch
sehnt, schon im Vorfeld als Untugend kultiviert.“
Konrad lehnte sich
zurück. „Ich will dir eine Gegenfrage stellen: Wieso glaubst du, dass Vertrauen
in die Gesellschaft eine Tugend wäre?“
Ich war überrascht.
„Was kann Vertrauen denn sonst sein, deiner Meinung nach?“
„Vertrauen ist ab
einem gewissen Zeitpunkt eine große Dummheit. Vertrauen ist etwas
Verfängliches, Walter. Wer einmal in die Verlockungen des Vertrauens
hineingesickert ist, der wird in diesem Sud niemals einen Filter finden, sich
selbst wieder herauszuklären!“
„Das hat man dich
gelehrt, nehme ich an?“, fragte ich entsetzt.
„Ja!“, sagte er
knapp, und ich spürte, dass es ihm wehtat.
„Konrad, das ist
Unsinn, und du weißt es, du spürst es. Du bist es, der – seit wir uns kennen –
mich bittet, dir zu vertrauen. Und das tu ich gerne, weil ich will, dass Du
mein Freund bist.“ Ich spürte seine Zerrissenheit und wollte ihm
entgegenkommen. „Was du sagst, mag ja für ein Kollektiv gelten, wo sich der
Feige in der Menge verstecken kann und das Vertrauen der Allgemeinheit
ausnutzt. Da gibt es immer einen, der perfide ist, und das sieht man ihm nicht
an. Aber das gilt doch nicht für Freunde, für Brüder!“, flehte ich. „Wir beide
sind doch Beweis genug, dass es Vertrauen gibt. Konrad, das Misstrauen frisst
euch auf da drüben!“, rief ich.
„Wie soll man sich
denn sonst vor den Habgierigen und Feinden unserer Ideen hüten?“, fragte er
wütend.
„Verflucht, ihr
habt einfach Unrecht! Euer System stinkt an allen Ecken. Ihr belügt euch und
die Welt und glaubt, die Moral gefressen zu haben, doch in Wirklichkeit sehnt
ihr euch nach allem, was man nur im Westen kaufen kann. Aber da habt ihr euch
eben eine Mauer davor gebaut. Ihr wollt an die Orte fahren, in denen wir uns
erholen, ihr wollt amerikanische Jeans tragen und Kingsize-Zigaretten rauchen
und westdeutsche Autos fahren, sagt aber, wir seien schlecht und verdorben. Wir
wollen nichts von euch, gar nichts, und wir sagen nicht einmal, dass ihr
schlecht seid. Wir sagen lediglich, dass ihr auf das falsche Pferd gesetzt
habt!“
„Und all eure
Arbeitslosen, die jeden Tag auf mindestens einen Bonzen mit Nobelkarosse
treffen? Wer fragt denn eure Verbrechensopfer? Eure Armen und eure
verwahrlosten Kinder? Ihr seid verlogen, grausam und rücksichtslos!“, schrie
er.
„Du bist unfair.
Natürlich ist bei uns einiges im Argen, aber wir sind im Gegensatz zu euch
frei! In Gedanken und auch physisch. Das sind Menschenrechte! Die beachtet ihr
nicht!“, brüllte ich zurück.
„Dafür haben wir
das
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