Gott wuerfelt doch 1
geschah völlig humorlos. Sein Blick
war stechend, seine Mundwinkel waren herabgezogen. Ich fragte mich, ob ich
ebenfalls so aussähe, wenn ich über für mich wichtige Dinge sprach? Seine
Erscheinung bereitete mir Unbehagen. Er musste meine Distanz bemerkt haben,
aber trotzdem redete er eindringlich weiter auf mich ein. Da er - und dessen
war ich mir sicher - über ein vergleichbar gutes Gedächtnis verfügte wie ich,
musste er aus Erfahrung wissen, dass es mir nicht schwer fallen würde, mir
seine Schilderungen einzuprägen. Ich hatte ihn gefragt, warum er das alles
erzähle, und er hatte geantwortet, ich würde diese Informationen noch brauchen
können, ich solle ihm nur vertrauen.
Vertrauen, immer
wieder vertrauen, hatte ich mich beklagt. Es sei schwierig, zu vertrauen, wenn
man selbst keine Logik in den Geschehnissen erkennen könne. Morgen würden wir
in den Süden der Insel fahren, sagte Konrad, er wolle noch zwei Tage hier mit
mir verbringen, es werde alles gut werden. Wie inhaltslos! Wie es seiner
Meinung nach jetzt weiter gehe, was wir unternehmen sollten, wie wir klar
kommen könnten miteinander, welche Rettung es für uns aus dem Dilemma gebe,
fragte ich.
Dazu wollte er sich
nur zögerlich äußern. Er sagte, es werde schwierig für mich werden. „Warum nur
für mich?“, hatte ich gefragt. Ich würde schon sehen. Er könne mich zurzeit
nicht einweihen, er wolle mich nicht in Gefahr bringen.
Ich kochte vor Wut.
„Was denkst du dir eigentlich?“, fragte ich ihn über den Tisch gebeugt.
„Schließlich sind wir gleich, wie kaum zwei Leute gleicher sein können. Hör
endlich auf, mich wie ein Kind zu behandeln!“
Konrad blieb
vollkommen ruhig und sagte: „Wenn du wüsstest, worum es wirklich geht, wäre
dein Vergleich gar nicht so von der Hand zu weisen!“ Es gehe nicht um gekränkte
Eitelkeit eines erwachsenen Mannes, sondern um die Unerfahrenheit eines vom
Lebensglück bisher Bevorzugten. „Deine Vorstellungskraft reicht trotz deiner
Intelligenz bei weitem nicht aus, um Dinge zu erfassen, die jenseits von allem
liegen, was dir in deinem Leben bisher begegnet ist“, sagte er. „Und deshalb
überlass diese Dinge besser mir; aufgrund meines Lebensweges verfüge ich über
die jetzt entscheidenden Fähigkeiten!“ Warum ich stets Misstrauen hege? Ich
könne als Optimist, der ich doch eigentlich sei, froh sein, dass unsere
unglückliche Begegnung zumindest dadurch aufgewertet werde, dass mein Bruder
kein unbedarfter Dummkopf sei. Wie ruhig er war, wie sicher! Und dann beugte er
sich über den Tisch, griff meine Hände und sagte zu mir: „Walter, gib mir eine
Chance!“
Wir hatten viel
Wein getrunken, eine Menge der wundervollen griechischen Vorspeisen gegessen,
noch mehr Wein getrunken und wankten berauscht ins Bett.
*
Beim Frühstück
waren wir ziemlich verkatert. In meinem Kopf hämmerte das Harz des kretischen
Hausweins. Ich roch wie ein Terpentinkanister.
Konrad saß mir
gegenüber und biss in eine Gurke. Er nahm einen Schluck Kaffee, stellte die
Tasse ab und sah mich fragend an.
„Kennst du
Préveli?“ Er hustete.
Ich dachte nach.
„Der Name kommt mir bekannt vor. Hilf mir!“
„Ein Kloster an der
Südküste der Insel.“
Ich zog ratlos die
Schultern hoch. „Kann sein, dass ich als Kind mal mit Vater und Mutter dort
war, ich weiß es nicht mehr. Woher kennst du es?“
„Ich war schon
einmal hier, als ich zwölf war. Ich sollte die Insel kennen lernen, wie du sie
als Kind besucht hast.“
Ich sah ihn fragend
an.
„Du begreifst es
immer noch nicht, stimmt’s?“ Konrad lachte. „Vielleicht hätte ich die Insel
sowieso mal kennen gelernt. Kreta war immer schon ein gutes Pflaster für
Spione. Inseln eignen sich gut, wenn kaum jemand Notiz von ihnen nimmt und wenn
sie groß genug sind.“ Er fuchtelte mit der angebissenen Gurke in der Luft
herum. „Kreta ist außerdem so etwas wie eine Schicksalsinsel für die Deutschen.
Und Préveli spielt dabei eine besondere Rolle. Ich möchte mit dir dort hin. Es
ist zwar eine Fahrt von mehreren Stunden, aber die Gegend wird dir gefallen.“
„Gut, soll mir
recht sein, ich mag Kreta, es erinnert mich an eine schöne Zeit.“ Ich trank
einen Schluck Orangensaft. „Kannst du mir vielleicht endlich verraten, was das
alles soll?“ Die Frage war überflüssig, und sie blieb, wie ich erwartet hatte,
unbeantwortet.
Wir verließen das
Hotel und gingen zu einer Leihwagenfirma, die in der Nähe eine Filiale hatte.
Ich wartete draußen. Konrad
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