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Gott wuerfelt doch 1

Gott wuerfelt doch 1

Titel: Gott wuerfelt doch 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Kreutzer
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erschien kurze Zeit später in einem neuen Mercedes
G.
    „Wow!“, staunte
ich. „So was Edles?“
    „Hier brauchen wir
mehr PS als auf Kárpathos“, meinte er.
    Wir reihten uns in
das kretische Verkehrschaos ein und fuhren nach Osten auf der autobahnähnlichen
Küstenstraße, die den Norden der Insel säumt wie ein krachender Reißverschluss.
Nach einer halben Stunde erreichten wir Réthimnon, die drittgrößte Stadt
Kretas. Wir folgten einer Abzweigung nach Süden und ließen uns in das Gebirge
hineinziehen, fern vom Straßenlärm durch üppige Plantagen.
    Konrad hielt an und
stieg aus. Er ging um den Wagen herum und bat mich zu fahren. Ich rutschte
hinüber und fuhr weiter. Er ließ seinen Blick schweifen. Dann sagte er:
„Orangen!“, und schüttelte den Kopf. „Lauter Orangen!“
    Ich musterte ihn
kurz und blickte sogleich wieder auf die gut ausgebaute, aber kurvenreiche
Fahrbahn. Sie zog sich gewunden wie ein Lindwurm den Berg hinauf und war von
Gärten gesäumt, die einen intensiven Duft verströmten.
    „In der DDR ist das
der Traum jedes Bürgers, einen Orangenbaum zu sehen, nur einmal seinen Duft zu
atmen! Was für ein Geruch!“ Konrad schloss die Augen und sog die Luft ein.
„Dieser Baum ist ein Symbol für all die Entbehrungen östlich des verdammten
Eisernen Vorhangs! Vielleicht klingt es für dich lächerlich, aber große Wünsche
können einfacher Natur sein!“
    „Wieder einer eurer
großen Irrtümer!“, sagte ich mit leichtem Spott in der Stimme.
    „Was meinst du
damit?“, reagierte Konrad gereizt.
    „Ihr habt wohl
überhaupt nicht registriert, dass die Orangen aus eurem großen Bruderland im
Reich der Mitte stammen?“
    Konrad war
verdattert.
    „Ja!“, sprach ich
etwas lauter gegen das Motorengeräusch an. „China und Ostasien sind die
Stammlande aller Zitrusfrüchte. Jetzt habt ihr euch mit denen zerstritten und
ignoriert sogar den Ursprung von Zitronen und Orangen. Ha, ist das nicht
idiotisch?“, lachte ich höhnend. „Du wirst es sicherlich demnächst genießen, im
Westen zu sein und endlich chinesische Früchte essen zu dürfen“, ätzte ich und
gackerte vor mich hin.
    „Im Westen sein!“,
giftete er.
    „Du willst doch
nicht etwa zurück hinter den Vorhang, oder?“, fragte ich, Entsetzen
vorspielend.
    „Nein, das werde
ich nicht. Aber bestimmt auch nicht im Westen bleiben“, zischte er leise.
    Ich stoppte den
Wagen. „Was willst du dann?“, erkundigte ich mich jetzt mit ehrlichem
Interesse.
    Er lachte zynisch:
„Das wirst du noch früh genug erfahren.“ Zornig sah er zur Seite, und ich fuhr
weiter.
    Hinter Arméni
hatten wir die höchste Stelle erreicht, den Pass nach Süden. Vor uns lag eine
karge, felsige Landschaft.
    Nach einigen Kilometern
zweigte eine Straße nach Westen ab. Ein Schild wies uns den Weg nach Préveli.
Wir passierten eine Schlucht; unter uns donnerte ein Fluss, dessen Wasser
tosend zwischen den polierten Wänden hinabrauschte, die links und rechts von
senkrechten Kalkfelsen markiert waren.
    Als wir die
Schlucht wieder verließen und die Straße uns erneut bergan führte, fragte
Konrad mich: „Weißt du eigentlich, dass dieser Fluss und das Kloster Préveli
auf ewig in unrühmlicher Weise mit uns Deutschen verbunden sind?“
    „Nein, erzähl
mal!“, forderte ich ihn auf. Konrad holte aus und rief gegen den Fahrtwind:
„Die Mönche und Zivilisten umliegender Dörfer haben dort im Zweiten Weltkrieg
alliierten Soldaten Unterschlupf gewährt. Als die Deutschen kamen, haben sie
den Soldaten zur Flucht verholfen: Ein englisches U-Boot hat die Flüchtenden
unten an der Mündung des Flusses aufgelesen und gerettet. Die Mönche aber, die
den Flüchtenden den steilen und steinigen Steig durch die Felsen gezeigt, und
die Zivilisten, die ihnen geholfen hatten, wurden von den Nazis anschließend
grausam abgeschlachtet.“ Er beobachtete mich von der Seite und setzte nach:
„Westdeutschland - nie würde ich dort leben wollen.“
    „Hast du einen
Knall?“, rief ich entsetzt. Ich erinnere mich, dass ich wirklich betroffen war.
„Glaubst du tatsächlich, wir alle wären noch immer Faschisten?“
    „Na, was glaubst du
denn selbst?“
    Ich kochte vor Wut
und hielt den Wagen kurz vor dem weiß getünchten Dorf Lefkógia an. „Ich glaube,
dass ihr in der DDR eine Menge Scheiße zu fressen kriegt. Wenn du wirklich
glaubst, dass wir Faschisten sind, hast du ein Gehirn aus infiziertem Dreck,
und du hast nichts, aber auch gar nichts von uns verstanden!“, schrie

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