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Gott wuerfelt doch 1

Gott wuerfelt doch 1

Titel: Gott wuerfelt doch 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Kreutzer
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größte Menschenrecht überhaupt durchgesetzt, nämlich dass alle Menschen
gleich behandelt werden. Bei uns gibt es keine Bonzen und Reiche!“
    „Das ist doch
totaler Blödsinn! Bei euch gibt es Parteibonzen und Technokraten, die nach dem
Krieg einfach nur die Farbe ihrer Fahne umpoliert haben. Aus braun mach
knallrot! Lächerlich!“, schrie ich ihm höhnend ins Gesicht.
    „Du bist bis an den
Kragenknopf mit Gummibärchen vollgestopft worden, dir fallen keine Schuppen vom
Kopf, sondern Kokosflocken, in deinen Adern fließt Cola, und statt mit rohen
Hühner- hat man dich mit Überraschungseiern abgehärtet. Eure Welt ist
verdorben, von Konzernen aufgekauft; eure Hirne gehören nicht mehr euch,
sondern den Werbestrategen. Statt wie unsere Arbeiter nach Schweiß riecht ihr
nach Nelkenblättern, und den Rest eurer Männlichkeit erkennt man allenfalls an
den Kondomen in euren Taschen, der modernen Waffe gegen den neuen Killer AIDS,
den ihr selbst aus Dekadenz geboren habt. Eure Welt ist ein einziger
Misthaufen, alles ist Lüge, Schein und Heuchelei!“ Konrad schnaubte.
    Ich verzog böse den
Mund und sagte: „Mag sein, aber wir dürfen eure Bücher lesen!“ Dann drehte ich
den Zündschlüssel um und wollte weiterfahren. Er jedoch stieg aus, hielt die
Autotür fest und schrie mich an: „Moment, du Blödmann! Ich habe auch alles
gelesen, was du gelesen hast. Ich bin genauso gebildet wie du!“
    „Ja klar, du
wurdest ja auch auf mich angesetzt!“
    „Du arrogantes
Arschloch!“ Er drehte sich um. „Verdammt, was für ein riesengroßes Arschloch du
bist!“, rief er in den Himmel und schlug seine Faust gegen die Tür.
    „Mag sein, aber
dafür nicht verbohrt und: ohne Komplexe!“ Jetzt verließ auch ich den Wagen.
„Sieh dich doch an: stets mürrisch, misstrauisch und unglücklich. Immer ernst,
keine Witze, verschlossen und verbittert bist du. Du hast doch keine Ahnung von
Glück und Lebensfreude. Solche Puristen wie dich habe ich früher gehasst wie
die Pest. Menschenfeinde seid ihr! Bürokraten und Neidhammel!“, schrie ich.
Dann setzte ich, wieder ruhiger, hinzu: „Mensch, Konrad! Wach endlich auf!
Ändere dich, denn die Welt um dich herum wird sich nicht ändern, auch wenn du das
noch so gerne hättest! Begreifst du denn nicht, dass du jetzt auf der anderen
Seite des Zauns stehst? Du bist in einer Welt, wo du die Freiheit hast,
Gummibärchen oder Zwieback zu essen, Kokosflocken oder Sägespäne zu raspeln,
Cola oder Getriebeöl zu saufen, Überraschungseier oder Vogelbeeren zu
verspeisen. Es ist egal, ob du nach Schweiß stinkst oder dich täglich
einseifst, ob du dreimal am Tag oder nur einmal im Jahr mit einer Frau
schläfst. Es ist egal, scheißegal, du wirst hier nicht überwacht! Konrad, du
bist jetzt in der freien Welt, und es kommt nur auf dich an, was du tust! Du
kannst ein gutes Leben führen!“
    „Ich scheiß auf
dein Leben!“, schrie Konrad und drehte sich; er war aufgebracht. Ich entdeckte,
dass seine Motorik genau die war, die auch ich besaß. Oft, wenn ich mich
ärgerte, hatte ich so etwas Ähnliches gemacht. „Du bist verdorben!“, schrie er.
„Mein Bruder? Ha, dass ich nicht lache!“ Er warf den Kopf in den Nacken, dann
schlug er mit der flachen Hand auf die Kühlerhaube. „Ich kann es einfach nicht
glauben!“, rief er und ließ den Oberkörper vorschnellen. „Ich sollte dich,
diesen Biedermann, ersetzen, einen reflexionslosen Bourgeois spielen!“, rief
er. „Ja, das habe ich gelernt!“, schrie er mit rauer Kehle. „Ich bin ein
Schauspieler! Ein sozialistischer Karaokejünger, der nichts anderes kennt, als
zu imitieren, ich bin ein Klooooon!“, geiferte er mir hässlich ins Gesicht.
„Ja, sieh mich nur an, sieh ganz genau hin.“ Jetzt brüllte er mit sich
überschlagender Stimme und hielt seine Hand in die Höhe, „wie meine Hände
zittern, wie mein Gesicht sich verzerrt, wie sich mein Körper windet! Ich bin
nur dein Double, dein Stuntman, dein zweites Ich, ja, dein zweites Ich, ein
verdammtes Reserverad. Ja, meine Hände zittern. Ich bin ein Trinker, wie soll ich
anders werden?“ Er stand jetzt aufrecht und stopfte seine Hände in die
Hosentaschen. Er schrie mich jetzt mit verzerrtem Gesicht an, wobei sich seine
Sehnen links und rechts des Halses spannten. „Ja, Trinker bin ich! Ich saufe
jeden Tag so viel, wie du in einem Monat! Ich saufe nicht zum Genuss, so wie
du, ich saufe, weil ich muss! Ich hasse dieses Zeug, aber ich brauche und liebe
es gleichzeitig!“ Konrad

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